Die Berufungsbegründung - Rüschung und Stoßverletzung

Berufungszurückweisung: Rüschung und Stoßverletzung

 

Die von der Klägerin vorgebrachten Berufungsgründe sind unbeachtlich. Nach diesseitigem Dafürhalten war das Gericht durchaus in der Lage, bereits in I. Instanz eine Schätzung gem. § 287 BGB vorzunehmen. Das Gericht hat in seinen Ausführungen auch detailliert dargelegt, aus welchen Gründen und aufgrund welcher Umstände ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens die Schätzung vorgenommen werden konnte. Soweit in der Berufungsbegründung neuer Sachvortrag seitens der Klägerin zur Akte gereicht wird, wird diese als verspätet gerügt. Höchst vorsorglich, für den Fall einer nicht gegebenen Verspätung, wird wie folgt vorgetragen:

 

Es wird bestritten, dass die Faltenbildung, Nahtfolge und der Stand der Polster nicht der Beschaffenheit bei Sofas gleicher Art entsprechen soll, diese Begebenheiten auffällig und störend, mithin mangelhaft sind.

 

Soweit die Gegenseite auf ein Ausstellungsstück Bezug nimmt und hierzu vorträgt, dass es diese entsprechenden Erscheinugsmerkmale nicht gehabt haben sollen, wird dies einerseits als verspätet gerügt und für den Fall einer fehlenden Verspätung hilfs- weise bestritten. Bestritten wird darüber hinaus, dass die Beseitigung von Mängeln ein Aufwand von mehr als 10 % des Kaufpreises für das Sofa, mithin 130,00 €, ausmachen soll.

Lag ein Mangel bei Übergabe des Sofas vor?

Das Bestreiten erfolgt hilfsweise für den Fall, dass auch dieses Vorbringen nicht verspätet sein sollte. Ebenfalls als verspätet gerügt wird das Vorbringen, dass das streitgegenständliche Sofa mind. 450,00 € weniger wert sein soll als im vermeintlich mangelfreien Zustand. Das diesbezügliche Vorgehen wird äußerst hilfsweise für den Fall einer fehlenden Verspätung ebenfalls bestritten. Dies gilt auch hinsichtlich der Behauptung zur Geräuschbildung der Schranktüren und der hierzu vorgetragenen Minderung des Kaufpreises in Höhe von 250,00 €.

 

Der Sachverständige hat eindrucksvoll das Vorbringen der Beklagtenseite bestätigt. Hinsichtlich der Polstergarnitur hatte der Sachverständige bestätigt, dass weder die Wellen, noch die Nähte noch der Polsterbeschaffenheit einen Mangel darstellen. Lediglich hinsichtlich des minimalen Risses am Bezugstoff hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um einen Mangel handeln könnte, wenn dieser bereits bei Übergabe der Garnitur vorgelegen hätte.

 

Insoweit hat der Sachverständige aber selbst ausgeführt, dass es sich hierbei um ein Schadenbild handelt, welches typischerweise bei einem Anstoß mit einem Staubsauger festzustellen ist. Ob dieser Mangel bei Übergabe des Sofas vorlag, vermochte der Sachverständige nicht zu sagen. Bezüglich des Kleiderschrankes hat der Gutachter keinerlei Mängel festgestellt.

 

Die Klage ist im vollen Umfang unbegründet. Demgemäß ist auch die Berufung zurückzuweisen. Zunächst einmal stellen die Wellen, Nähte und Polsterungen keinen Mangel dar. Was das marginale, kaum festzustellende Loch anbelangt, so stellt auch dieses keinen von der Beklagten zu vertretenden Mangel dar. Insofern trifft nach diesseitigem Dafürhalten nicht die Beklagte, sondern die Klägerin die Beweislast für das Vorhandensein des Schadens zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs.

Zeitpunkt des Gefahrübergangs

In diesem Zusammenhang ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin selbst nicht einmal behauptet hat, dass zum Zeitpunkt der Lieferung ein Riss in der Nahtkante des Longchairs vorhanden war. Angaben hierüber befinden sich in der Klageschrift nicht. Zudem hat die Klägerin selbst auf Seite 3 ihres Schriftsatzes vom 21.04.2009 im letzten Absatz vortragen lassen: "Ob der Riss an der Nahtkante des ‚Longchairs bereits bei Auslieferung vorhanden war, weiß die Klägerin nicht." Insoweit liegt kein Sachvortrag mit einer bestimmten Behauptung hinsichtlich des Vorhandenseins eines Mangels zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vor.

 

Abgesehen davon hatten wir aber auch auf Seite 4 der Klageerwiderung vom 03.04.2009 im 2. Abs. vorgetragen, dass die Klägerin bei Lieferung des Sofas sehr genau und vollständig dasselbe in Augenschein nahm und einen Riss dort nicht beanstandete. Dieser Sachvortrag ist von der Gegenseite nicht bestritten worden, so dass alleine dieser Umstand gegen das Vorhandensein eines Risses zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs spricht. Schließlich ist auch die Vorschrift des § 476 BGB nicht zu Lasten der Beklagten anzuwenden.

 

Nach Einschätzung der Beklagten ist die genannte Vorschrift zunächst nicht für die Fälle einer etwaigen Mangelbeseitigung bzw. Nachlieferung anwendbar, sondern betrifft ausschließlich und allein die Erstlieferung der Ware. Selbst wenn man anderer Auffassung wäre, ist aber festzustellen, dass sowohl beim Austausch der Ware vom 24.06.2009 als auch bei jener am 20.10.2009 die Beklagte zu keinem Zeitpunkt das Vorhandensein eines Mangels bestätigt, sondern die Auslieferung stets und ausdrücklich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und aus Gründen der Kulanz vorgenommen hat.

 

Hierzu nehmen wir auf die Ausführungen auf Seite 2 und 3 der Klageerwiderung vom 03.04.2009 nebst den dortigen Beweisantritten Bezug. Damit ist gerade jeweils keine Nachlieferung oder Nachbesserung erfolgt, sondern eine reine Kulanzleistung, so dass alleine schon vor diesem Hintergrund die Vorschrift des § 476 BGB nicht greift. Es ist allenfalls auf den Zeitpunkt der Erstlieferung abzustellen. Insoweit ist die 6 Monatsfrist aber verstrichen. Letztendlich könnte sich die Klägerin aber aus einem weiteren Grund nicht auf § 476 BGB berufen.

Eine typische Verschleißerscheinung

Eine Berufung auf diese Vorschrift ist nämlich ausgeschlossen, wenn die Vermutung mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist. Der Gutachter hat festgestellt, dass der Riss Ausdruck typischer Gebrauchsspuren anlässlich einer Reinigung mit einem Staubsauger ist. Dieser Umstand ist aber eine typische Verschleißerscheinung, die der Sachmängelvermutung entgegensteht ( Vgl. BGH NJW 2006, 434; OLG Köln ZGS 2004, 40; OLG Celle NJW 2004, 3566). Der festgestellte Riss ist aber auch mit der Vermutung der Art des Mangels unvereinbar.

 

Die Vermutung ist hiernach wegen der Art des Mangels ausgeschlossen, wenn es sich um einen solchen Mangel handelt, der auch einem fachlich nicht versierten Käufer bei Übergabe auffallen muss. In einem solchen Fall ist die direkte Beanstandung durch den Käufer zu erwarten. Wird die Ware in einem solchen Fall unbeanstandet angenommen, spricht dies gegen die Vermutung des § 476 BGB ( Vgl. BGH NIJW 2005, 3490,3492; MüKo § 476 Rn 17), Diese Fallkonstellation ist vorliegend gegeben. Hier war die Klägerin aufgrund der vorangegangenen Beanstandungen und Lieferung bei der Untersuchung der Garnitur besonders aufmerksam und sorgfältig.

 

Sie hat hierbei die Beanstandung auf dem Lieferschein ausdrücklich vermerkt. Einen Riss hat sich nicht gerügt. Dieser wäre aber der Klägerin ohne weiteres aufgefallen, insbesondere auf Grund der Tatsache, dass hier eine genaue Begutachtung vorgenommen wurde und sich dieser an einer erkennbaren Stelle im vorderen Bereich befindet. Da dieser Umstand nicht gerügt wurde, greift die Vermutung des § 476 BGB zu Gunsten der Klägerin nicht.

 

Insofern ist die Gegenseite beweisfällig geblieben. Sollte die Berufungskammer dieser Ansicht nicht folgen, weisen wir darauf hin, dass wir bereits in I. Instanz für die Mangelfreiheit der Garnitur zum Zeitpunkt der Auslieferung Beweis angetreten hatten durch Zeugenvernehmung. Auch insoweit wird auf die Klageerwiderung vorsorglich aber auch auf die Ausführungen im vorliegenden Berufungserwiderungsschriftsatz und die dortigen Beweisantritte Bezug genommen.

 

Sollte das Gericht daher die Beweislast bei der Beklagten sehen, wäre entsprechende Beweisaufnahme durchzuführen. Selbst wenn auch diese Beweisaufnahme zu Lasten der Beklagten ausgehen würde, könnte die Klägerin hieraus keinen Rücktritt herleiten. Abgesehen davon, dass nach hiesiger Einschätzung der angesetzte Minderungs- und Reparaturbetrag von 200,00 € übersetzt ist, würde sich hierin keine unerhebliche Pflichtverletzung widerspiegeln.

 

Hierbei ist nämlich nicht nur der für die Mangelbeseitigung erforderliche Aufwand zu berücksichtigen, sondern auch die funktionelle und ästhetische Beeinträchtigung ((ULG Karlsruhe NIJW RR 2009, 741) des Weiteren auch die Schwere des Verschuldens des Schuldners (BGH NJW 2006, 1960). Nach der einschlägigen Kommentierung Münchener Kommentar/Ernst & 323 Rn.243, verlangt dies im Regelfall, dass die Kosten der Mangelbeseitigung mind. 20% - 50 % der Gegenleistung auszumachen haben.

Die Beeinträchtigung durch das Loch ist völlig unerheblich
Eine sogenannte Stoßverletzung

Dieser Wert ist vorliegend unter Zugrundelegung der Ausführung des Sachverständigen nicht erreicht. Abgesehen davon ist auch festzustellen, dass die hiesige Beeinträchtigung durch das Loch absolut gesehen völlig unerheblich ist, da weder eine Gebrauchsbeeinträchtigung, noch eine optische Beeinträchtigung gegeben ist (OLG Köln NIW 07, 1694).

 

 

Insoweit ist bei der Frage des Rücktritts nach § 323 V BGB nicht auf den einzelnen Kostenaufwand abzustellen, sondern zusätzlich das Gesamtbetrachtungsbild und die hiermit verbundenen optischen oder funktionalen Beeinträchtigungen. All dies schließt vorliegend eine Rückabwicklung des Kaufvertrages aus.

 

Der Sachverständige mag hinsichtlich seiner Ausführungen unter Ziffer VIII näher erläutern, wie sich der von ihm angegebene Minderwert und die Kosten der Reparatur konkret zusammensetzen. Die pauschale Behauptung eines Aufwandes ist nicht hinreichend substantiiert und kann insoweit auch nicht nachgeprüft werden.

 

Der Sachverständige mag insbesondere angeben, aufgrund welcher Umstände sowie etwaig eingeholter Kostenvoranschläge sowie etwaiger standardisierter Preisvorgaben er zu dem Ergebnis des von ihm angegebenen Wertes gekommen ist.