Faltenbildung und schiefe Nähte am Sofa

Berufungsbegründung: Rüschung und Stoßverletzung

1. Die Beklagte unter Abänderung des am 28.04.2009 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Warendorf, Az.: 5 C 283/09, zu verurteilen, an die Klägerin 1.130,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus 705,00 € seit dem 26.01. 2008 und aus 623,00 € seit dem 31.03.2008 Zug um Zug gegen Übergabe des Sofas „Wohnlandschaft“, Chromfüße, mit zwei Sitzpolstern und einem Longchair nebst vier gesonderten Kissen der Farbe Granit zu zahlen;

 

2. festzustellen, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet;

 

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 250,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

 

4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 186,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Durch ordnungsgemäße Nachbesserung instandzusetzen

Hilfsweise wird beantragt, die Beklagte zu verurteilen, folgende Mängel an der Sofawohnlandschaft durch ordnungsgemäße Nachbesserung instandzusetzen und zu beseitigen:

 

  • ungewöhnliche Faltenbildung am Sitzkissen des Longchairs sowie auf der Lehne.

 

  • schiefe Nähte an mehreren Stellen.

 

  • Schiefstand des Sitzpolsters am Longchair gegenüber den anderen Sitzpolstern.

 

  • Blasenbildung.

 

  • kleines Loch/Rissbildung an der Nahtkante der linken vorderen Ecke des Longchairs.

 

Äußerst hilfsweise wird beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Minderungsbetrag für das Sofa in Höhe von 450,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.04.2009 zu zahlen.

 

Begründung:

 

1. Das Amtsgericht hat die Klageanträge zu 1. bis 4. zu Unrecht abgewiesen. Diese Anträge verfolgt die Klägerin mit ihrer Berufung weiter. Gleiches gilt für die Hilfsanträge. Das Urteil wird daher in vollem Umfang der Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt. Auf das gesamte erstinstanzliche Vorbringen der Klägerin, insbesondere in der Klageschrift vom 12.03.2009, im Schriftsatz der Klägerin vom 25.03.2009 und im Schriftsatz der Klägerin vom 21.04.2009 einschließlich der dortigen Beweisantritte wird Bezug genommen.

 

2. Das Amtsgericht gelangte in seinem Urteil zu der Überzeugung, dass das streitgegenständliche Sofa keine Sachmängel aufweise. Das Gericht meinte, diese Überzeugung aufgrund eigener Sachkunde gewinnen zu können, ohne ein Sachverständigengutachten einholen zu müssen. Der Hilfsantrag könne keinen Erfolg haben, weil der Klägerin aufgrund der Erklärung des Rücktritts eine Rückkehr zu der primären Erfüllungsebene nicht möglich sei. Der weitere Hilfsantrag habe nur in Höhe eines Betrages von 100,00 € Erfolg. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

 

Feststellung der Mangelhaftigkeit des Sofas

Im Einzelnen: Das Amtsgericht hätte entgegen seiner Auffassung aufgrund des angebotenen Sachverständigenbeweises ein Sachverständigengutachten zur Feststellung der Mangelhaftigkeit des Sofas einholen müssen. Zwar ist es grundsätzlich dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts überlassen, ob es die eigene Sachkunde für ausreichend erachtet.

Befindet sich ein Mangel am Sofa?
Wellenbildung und Rüschungen am Sofa

Das Amtsgericht legt seine Kenntnisse jedoch nicht — wie erforderlich - im Einzelnen dar, sondern verweist lediglich darauf, es sei aufgrund bereits in früheren Rechtsstreitigkeiten eingeholter Gutachten gerichtsbekannt und überdies allgemein bekannt, dass mit Stoff überzogene Polsterungen von maschinell als Massenware hergestellten Sofas in einem vergleichsweise niedrigen Preissegment keinen Sachmangel aufweisen, wenn die Nähte an einzelnen Stellen ganz leicht schief oder unregelmäßig verlaufen, der Stoff oberhalb oder unterhalb der Nähte leichte — auch unterschiedlich stark ausgeprägte — Faltenbildungen aufweist und die Sitzpolster leicht gewölbt oder leicht an einer Seite hochstehend erscheinen.

Es entspreche der Erfahrung des Gerichts sowohl aus früheren Gutachten als auch aus vielfachen Inaugenscheinnahmen von neuen Sofas vergleichbarer Preisgrößenordnung im privaten Umfeld, dass Stoffsofas dieser Preiskategorie bereits im Neuzustand nicht exakt lotrecht und waagerecht verlaufende gerade Nähte aufweisen. Dies stelle nach Auffassung des Amtsgerichts keinen Sachmangel dar. Das Amtsgericht begnügt sich daher mit der Feststellung, neue Sofas im Bekanntenkreis des Richters hätten schiefe oder unregelmäßig verlaufende Nähte.

 

Dies gelte auch für solche Sofas, deretwegen bereits Gutachten in anderen Rechtsstreitigkeiten eingeholt wurden. Die sonderbaren Ausführungen des Gerichts zeigen nicht auf, dass und welche allgemein gültigen Erkenntnisse seine Schlussfolgerungen tragen könnten. Die Ausführungen des Gerichts beschränken sich vielmehr darauf festzustellen, dass Faltenbildungen und schiefe Nähte bei günstigen Sofas keinen Mangel darstellen. Dies ist jedoch nicht ausreichend. Sofern das Gericht seine Schlussfolgerung auf seine eigene Sachkunde oder allgemein gültige Erkenntnisse stützen wollte, hätte es im einzelnen darlegen müssen, aufgrund welchen Umstandes eine Faltenbildung sowie schief verlaufende Nähte bei vergleichbaren Sofas der selben Preiskategorie üblich sind.

Der Fertigungsprozess von Sofas

Folgt dies beispielsweise daraus, dass die Nähmaschinen bei der Fertigung von Sofas mit einem Verkaufspreis von etwa 1.300,00 € regelmäßig schiefe Nähte verursachen? Verläuft der Fertigungsprozess von Sofas in einem vergleichsweise niedrigen Preissegment anders als der Fertigungsprozess von Sofas in einem höheren Preissegment? Aus weichem Grund verlaufen die Nähte an einzelnen Stellen des Sofas gerade und an anderen schief? Ist dies auf eine Eigenheit der Herstellung von Sofas im niedrigen Preissegment zurückzuführen? Zudem hätte sich das Amtsgericht die Frage stellen müssen, ob die im „privaten Umfeld“ in Augenschein genommenen Sofas möglicherweise auch mangelbehaftet sind und das Gericht aufgrund dessen das streitgegenständliche mangelhafte Sofa mit ebenfalls mangelhaften Sofas aus dem privaten Umfeld verglichen hat.

 

Wie gelangte das Amtsgericht zu der Erkenntnis, dass die im „privaten Umfeld“ in Augenschein genommenen Sofas mangelfrei waren? Welcher Beweisbeschluss lag den Gutachten der früheren Rechtsstreitigkeiten zugrunde und welchen Inhalt hatten die Gutachten? Wie das Amtsgericht zu der Auffassung gelangen konnte, es sei allgemein bekannt, dass mit Stoff überzogene Polsterungen von günstigen Sofas keinen Sachmangel aufweisen, wenn die Nähte schief verlaufen, erschließt sich nicht.

 

Ferner ist nicht ersichtlich, dass das streitgegenständliche Sofa in einem niedrigen Preissegment liegt. Ein Kaufpreis in Höhe von 1.300,00 € für ein Sofa ist nicht niedrig. Im Übrigen sind Sofas zu einem Kaufpreis von ca. 800,00 € über andere Möbelhäuser zu erwerben, die keine schiefen Nähte aufweisen. Es existiert daher kein Erfahrungssatz, dass Sofas mit einem Marktpreis von ca. 1.300,00 € üblicherweise und regelmäßig schief verlaufende Nähte mit der daraus resultierenden Faltenbildung aufweisen.

 

Nach alledem erfordert die Würdigung des Sachverhaltes eine spezielle Sachkunde und wird nicht durch die Kenntnis allgemeiner Erfahrungssätze ermöglicht, die sich das Gericht in anderen Verfahren oder aus schriftlichen Gutachten angeeignet haben mag, zumal das Amtsgericht in seinem Urteil offen lässt, auf welche technischen Erkenntnisse es seine Schlussfolgerungen stützt.

 

Vgl. hierzu: BGH, Urteil vom 23.11.2006, NJW-RR 2007, 357; BGH, Urteil vom 21.03.2000, NJW 2000, 1946. Das Gericht hätte daher dem Beweisantritt der Klägerin auf Seite 6 der Klageschrift und auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 21.04.2009 nachgehen müssen. Die Faltenbildungen, schiefen Nähte und der Schiefstand des Sitzpolsters entsprechen nicht der Beschaffenheit, die bei Sofas der gleichen Art üblich ist. Sie sind entgegen der Auffassung des Amtsgerichts auch nicht hinnehmbar. Zwar wirken sie sich nicht auf die Funktionstüchtigkeit des Sofas aus, sind jedoch äußerst auffällig und störend. Auch bei einem Sofa, welches zu einem Preis von ca. 1.300,00 € veräußert wurde, ist das nicht akzeptabel.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts

Beweis:

 

1. Inaugenscheinnahme durch das Gericht;

 

2. Sachverständigengutachten.

 

Auch der Unterzeichner konnte sich bei dem amtsgerichtlichen Ortstermin von der störenden Faltenbildung einen bleibenden Eindruck verschaffen. Entgegen der Auffassung des Gerichts geht die Klägerin nicht mit einem falschen Maßstab an die Sache heran. Offensichtlich ist es das Amtsgericht, das mit einem falschen Maßstab geurteilt hat.

 

Der Amtsrichter dürfte sich, gemessen an seinen Maßstäben, nicht beschweren, wenn ihm der Verkäufer eines neuen VW Polo mitteilt, dass man einen falschen Maßstab anlege, wenn man sich über die schiefe Stoßstange beschwere, weil dies allenfalls bei einem Ferrari ein Mangel sei. Auch der Hinweis des Gerichts, die Beklagte habe im Termin zur mündlichen Verhandlung Katalogfotos der Möbelherstellerin vorgelegt, aus denen sich eine Faltenbildung ergebe, geht fehl. Denn das Amtsgericht hat insoweit überhaupt nicht festgestellt, ob es sich bei den auf den Fotos abgebildeten Möbelstücken um Ausstellungsstücke der Beklagten handelte.

 

Dies wird bestritten. Hierauf wird es aber ohnehin nicht ankommen, weil das Ausstellungsstück der Beklagten keine der streitgegenständlichen Mängel aufwies. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts handelt es sich nicht um eine unerhebliche Pflichtverletzung der Beklagten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes besteht in der Regel ein Rücktrittsrecht, wenn die Beseitigung der Mängel der Kaufsache im Verhältnis zum Kaufpreis höhere Aufwendungen erfordert, die etwa über 5 % des Kaufpreises hinausgehen.

 

Vgl.: BGH, NJW 2005, 3490; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 67. Aufl., § 323 BGB, Rn. 32. Wie bereits in der mündlichen Verhandlung vorgetragen und unter Beweis gestellt, erfordert die Beseitigung der Mängel insgesamt einen Aufwand von mehr als 10 % des Kaufpreises für das Sofa, mithin mehr als 130,00 €.

 

Unerheblich ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts, ob die Beklagte eine Nacherfüllung durch Nachbesserungsarbeiten gem. § 439 Abs. 3 Satz 1 und 2 BGB hätte verweigern können. Dies spielt bei der Frage, ob eine erhebliche Pflichtverletzung im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB vorliegt, keine Rolle. Das Amtsgericht übersieht hier offensichtlich die Struktur des Bürgerlichen Gesetzbuches. Selbst eine Unzumutbarkeit der gewählten Art der Nacherfüllung im Sinne des § 439 Abs. 3 BGB unterstellt, kann dies niemals zu einem Ausschluss des Rücktrittsrechts führen.

 

Dies bedarf keiner weiteren Kommentierung. Rechtsfehlerhaft ist ferner die Auffassung des Amtsgerichts, der gestellte Hilfsantrag sei unbegründet, weil die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt habe. Sofern der Rücktritt - wie nicht - tatsächlich ins Leere gehen würde, wäre kein Rückabwicklungsschuldverhältnis begründet worden mit der Folge, dass der Kaufvertrag unter Aufrechterhaltung der gesetzlichen Sachmängelansprüche bestehen bleiben würde.

 

Es würde dementsprechend keine Rückkehr auf die primäre Erfüllungsebene erfolgen, weil eine Abkehr niemals stattgefunden hätte. Selbst wenn daher ein Rücktritt vom Kaufvertrag wegen Unerheblichkeit der Pflichtverletzung nicht möglich wäre, wäre zumindest dem Hilfsantrag der Klägerin stattzugeben, weil die Beklagte verpflichtet wäre, den Mangel durch Nachbesserung des Sofas zu beseitigen.

 

Äußerst hilfsweise wäre der Kaufpreis für das Sofa wegen der bestehenden Mängel um mindestens 450,00 € zu mindern, denn das Sofa ist im streitgegenständlichen Zustand mindestens 450,00 € weniger wert als ein Sofa in mangelfreiem Zustand. Der Klageantrag zu 3. ist vom Gericht rechtsfehlerhaft abgewiesen worden. Wie bereits vorgetragen und unter Beweis gestellt, ist auch das normale Schließen der Schranktüren mit einer erheblichen Geräuschbildung verbunden, der eine Minderung des Kaufpreises in Höhe von 250,00 € rechtfertigt.