Ein Körpergewicht von 152 kg bei Kaufvertragsabschluss

 

Amtsgericht Göppingen Aktenzeichen 2 C 1427/12 vom 29.07.2014

 

 

1. Klage und Widerklage werden abgewiesen.

 

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits und die Nebenintervention verursachten Kosten zu tragen.

 

3. Das Urteil ist vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte und durch die Streitverkündete durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, falls nicht die Beklagte oder die Streitverkündete vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Streitwert 3.730,93 Euro

Sind die Sitze des Sofas sehr weich?

 Tatbestand

 

Der Kläger erwarb von der Beklagten mit Kaufvertrag vom 05.08.2010 diverse Möbelstücke, darunter die streitgegenständliche Couch-Garnitur „Wohnlandschaft Urban Living“ zu einem Kaufpreis in Höhe von insgesamt 7.472,00 Euro. Auf die Couch-Garnitur entfällt ein Kaufpreisanteil in Höhe von 3.441,00 Euro. Die Beklagte lieferte die Wohnlandschaft am 25.10.2010 an den Kläger aus. Unter Berufung auf eine unzureichende Sitzhärte der Couch-Garnitur rügte der Kläger Mängel, woraufhin eine Firma beim Käger erschien und am 23.01.2012 das 3-sitzige Sofa mit Schaumstoff unterpolsterte. Für die Tätigkeit berechnete die Beklagte dem Kläger einen Betrag in Höhe von insgesamt 151,52 Euro einschließlich Mahngebühren und Zinsen.

 

Nachdem die Beklagte ein weiteres Nacherfüllungsverlangen des Klägers im Mai 2012 zurückgewiesen hatte, erklärte der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 19.07.2012 den Rücktritt vom Kaufvertrag, soweit es die gelieferte Wohnlandschaft anbetrifft und forderte die Beklagte zur Rückzahlung des auf die Couch-Garnitur entfallenden Bruttokaufpreises Zug und Zug gegen Rückgabe der Möbel auf.

 

Der Kläger bringt vor, er sei zum teilweisen Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt gewesen, da die Sitzgarnitur mit Sachmängeln im Sinne des § 434 BGB bereits bei der Anlieferung der Möbel behaftet gewesen sei. So sei der rechte Sitz des 3-sitzigen Sofas wesentlich weicher als die anderen Sitze, dieser Mangel sei heute noch vorhanden, weil an dieser Stelle das Sitzende tief nach unten sinke. Die Beklagte sei zu einer kostenlosen Nachbesserung verpflichtet gewesen, sie müsse daher die Kosten der Nacherfüllung zurückerstatten. Wegen der benutzung der streitgegenständlichen Couch-Garnitur im zurückliegenden Zeitraum lasse er sich einen Betrag in Höhe von 500,00 Euro als Nutzungsentschädigung anrechnen, so dass die Beklagte zur Zahlung von 3.594,79 Euro verpflichtet sei.

 

Der Kläger beantragt,

 

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.594,79 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 07.08.2012 zu bezahlen Zug um Zug gegen Rückgabe der Wohnlandschaft Urban Living 29880 Lauria, Ledergruppe Z70, Dess. Z70054 braun, Metallfuß F09, Federkern, bestehend aus 2 Steck-Kopfstützen U 92, ca. B54 cm, Seitenkissen U, ca. 46x50 cm, Ecksofa links FG 07, ca. 88x208 cm, Rü-echt m. Klapphocker, Sofa 3 groß, P062 re., AT rechts, Rü-echt, BHT ca. 201x82x90 cm.

 

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 402,82 Euro an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

 

3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet.

 

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

 

Widerklagend beantragt sie:

 

Der Kläger/Widerbeklagte wird verurteilt, an die Beklagte/Widerklägerin 136,14 Euro nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 28.03.2012 zu bezahlen.

 

Der Kläger beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Nach Nutzung der Wohnlandschaft

Die Beklagte bestreitet das Vorliegen eines gewährleistungspflichtigen Mangels. Richtig sei allein, dass der Kläger am 23.01.2012, also nach einer Nutzung der Wohnlandschaft von etwa 15 Monaten und damit nach Ablauf der Frist des § 476 BGB einen vorgeblichen Mangel gerügt habe, ohne diesen Mangel näher zu definieren. Der Kläger habe bei der Beklagten reklamiert, dass die Polsterung des Sofas teilweise durchgesessen sei. Sie habe sich daraufhin mit der Herstellerin des Sofas abgestimmt und sich zur Beseitigung des behaupteten Mangels bereit erklärt, sofern der Kläger bei Nichterweislichkeit eines Mangels die Kosten des Reparatureinsatzes zu tragen habe.

 

Nachdem der Kläger sein Einverständnis hierzu signalisiert habe, habe sie das Herstellerwerk um die Einleitung der notwendigen Maßnahmen gebeten. Der von ihr beauftragte Kundendienst habe festgestellt, dass ein gewährleistungspflichtiger Mangel nicht vorhanden gewesen sei. Der Kläger sei verpflichtet, die ihr entstandenen Kosten in Höhe von 136,14 Euro zu tragen, weshalb Widerklage zu erheben gewesen sei.

 

Der Hersteller der streitgegenständlichen Couch – Garnitur ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.

 

Über die vom Kläger behaupteten Mängel hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen. Wegen der sachverständigen Feststellungen wird auf das Gutachten vom 28.02.2014 verwiesen.

 

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Enscheidungsgründe

 

Klage und Widerklage sind nicht begründet.

 

Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf teilweise Rückzahlung des Kaufpreises in der geltend gemachten Höhe aus kaufrechtlicher Gewährleistung nach §§ 346, 437,439,440,323 BGB oder aus sonstiger Rechtsgründen nicht zu.

 

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die vom Kläger erworbene, von der Beklagten gelieferte Couch – Garnitur „Urban Living“ gemäß § 434 BGB zum Zeitpunkt des Gefahrenübergangs einen Sachmangel aufgewiesen hat. Nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr.1 BGB ist die Kaufsache, soweit ihre Beschaffenheit nicht vereinbart ist, nämlich frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet. Diese Voraussetzungen sind, wie die Beweisaufnahme ergeben hat, erfüllt. Die vom Kläger erworbenen Sitzmöbel waren bei Gefahrenübergang, d.h. hier bei Übergabe an den Kläger mangelfrei.

Höhenverlust und Härteveränderungen im Polsteraufbau

Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten eingehend und für das Gericht nachvollziehbar dargelegt, dass für das 3-sitzige Sofa, das Teil der von der Beklagten gelieferten Wohnlandschaft „Urban Living“ ist, die vom Kläger geschilderten negativen Eigenschaften wie Höhenverlust und Härteveränderungen im Polsteraufbau aufgrund ungleicher Benutzung in bestimmten Umfang warentypisch sind. Der Sachverständige hat das 3-sitzige Sofa überprüfen lassen. Die Prüfung hat ergeben, dass die festgestellten Werte zu Höhenverlust und Härteänderungen innerhalb des zulässigen Toleranzbereichs liegen, also das 3 – sitzige Sofa eine warentypische und damit nicht als mangelhaft einzustufende Eigenschaft aufweist.

 

Auch die Festigkeitsprüfung in Form einer Schwellbelastungsprüfung hat kein zu beanstandendes Ergebnis im Gebrauch der Sitze des 3-sitigen Sofas ergeben. Allerdings hat der Sachverständige zu Ende seines Gutachtens festgestellt, dass bei Personen mit einem Gewicht über 120 kg vor Abschluss des Kaufvertrages bezüglich der Festigkeit und Haltbarkeit eines Polstermöbels entsprechend RAL-GZ 430/4 mit dem Hersteller Kontakt aufzunehmen sei. Damit erscheint es auch dem Sachverständigen möglich, dass in Anbetracht der grundsätzlichen Auslegung der Polstergarnituren für ein Personengewicht bis maximal 120 kg bei einem höheren Personengewicht die subjektive Empfindung der Sitzhärteunterschiede auch höher ausfallen könne, wie der Kläger dies in seiner Mangelrüge beschrieben hat.

 

Soweit der Kläger nun mit Schriftsatz vom 02.04.2014 vorgetragen hat, sein Körpergewicht habe zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses 152 kg betragen, vermag dieser Einwand des Klägers weder einen Mangel der Kaufsache noch eine Verletzung der Beratungspflicht des Verkäufers zu begründen.

 

Der Kläger hat bereits bei Abschluss des Kaufvertrages sein tatsächliches Körpergewicht von 152 kg der Beklagten gegenüber nicht offenbart. Das erhebliche Körpergewicht des Klägers ist somit nicht als Erfordernis an die Verwendungseigenschaft der Couch-Garnitur Vertragsbestandteil des Kaufvertrages geworden, insbesondere hat die Beklagte bei Abschluss des Kaufvertrages damit nicht zugesagt, ein 3- sitziges Sofa zu liefern, das auch dem erhöhten Körpergewicht des Klägers Rechnung trägt.

Lückenlose Aufklärung kann nicht erwartet werden

Der Kläger kann auch nicht im Wege des Schadensersatzes die von ihm geforderte teilweise Rückabwicklung des Möbelkaufvertrags von der Beklagten verlangen. Zwar kann die Verletzung einer bloßen kaufvertraglichen Nebenpflicht unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss einen Schadenersatzanspruch wegen eines Beratungsfehlers begründen (s.a. BGH, Urteil vom 16.06.2004, VIII ZR 303/03). Eine solche Pflichtverletzung der Beklagten ist hier indes nicht anzunehmen. Ob dem Verkäufer, der es übernommen hat, den Käufer über die Eigenschaften und Verwendungsmöglichkeiten einer Ware zu beraten, die Verletzung der hierdurch begründeten Beratungspflicht vorzuwerfen ist, hängt nach ständiger Rechtsprechung in erster Linie vom Umfang einer selbständigen oder unselbständigen Verpflichtung ab, der sich wiederum nach den Umständen des Einzelfalls bestimmt (BGH NJW 1997,3227,3229).

 

Ein Käufer kann zwar berechtigterweise eine größere Sachkunde des Verkaufspersonals eines Möbelhauses erwarten, jedoch muss der Kläger als Käufer, wenn er sich mit der Bitte um Beratung an einen nicht mit dem Hersteller identischen Verkäufer wendet, damit rechnen, dass er nicht über jedes denkbare Risiko, das mit der beabsichtigten Verwendung der Ware verbunden ist, lückenlos aufgeklärt wird. Es hätte hier dem Kläger oblegen, auf sein erhöhtes Körpergewicht hinzuweisen, dem Verkaufspersonal der Beklagten hatte es nicht oblegen, gleichsam den Kläger vor Abschluss des Kaufvertrages auf eine Waage zu stellen und ihm anschließend zu erklären, dass er für das von ihm ausgesuchte 3-sitige Sofa zu schwer ist. Das Verkaufspersonal der beklagten war auch nicht verpflichtet, unaufgefordert den Kläger nach seinem Gewicht zu befragen, solche Fragen werden oft als unhöflich oder despektierlich empfunden.

 

Schließlich war das Verkaufspersonal der Beklagten auch nicht verpflichtet, nach Inaugenscheinnahme des Klägers dem Kläger vom Erwerb des 3-sitzigen Sofas abzuraten. Da die tatbestandlichen Voraussetzungen einer kaufvertraglichen Nebenverpflichtung nicht gegeben sind, steht dem Kläger bereits dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch gegenüber der Beklagten nicht zu. Die Annahme einer Beratungspflichtverletzung wäre erst zu bedenken gewesen, wenn der Kläger bei Abschluss des Kaufvertrags ausdrücklich auf sein erhöhtes Körpergewicht hingewiesen hätte, was aber unstreitig nicht erfolgt ist.

 

 

Steht dem Kläger somit ein Anspruch auf teilweise Rückabwicklung des Möbelkaufvertrags nicht zu, so hat er auch keinen Anspruch auf Erstattung der Nebenforderung in Form der vorgerichtlichen Anwaltskosten.

Unterschiedliche Sitzhöhe und Faltenbildung

Auch die Widerklage ist nicht begründet.

 

Der Beklagten steht ein Anspruch auf Erstattung der Begutachtungskosten in Höhe von 136,14 Euro nicht zu.

 

Eine Vereinbarung über die Kostentragungspflicht des Klägers hat die Beklagte nicht vorgelegt oder in sonstiger Weise nachgewiesen.

 

Auch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes nach § 280 Abs. 1 BGB steht der Beklagten der geltend gemachte Anspruch nicht zu.

 

Ein unberechtigtes Mangelbeseitigungsverlangen des Käufers nach § 439 Abs. 1 BGB kann eine zum Schadensersatz verpflichtende Vertragsverletzung darstellen, wenn der Käufer erkannt oder fahrlässig nicht erkannt hat, dass ei Mangel der Kaufsache nicht vorliegt, sondern die Ursache für das Symptom, hinter dem er einen Mangel vermutet, in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegt (so BGH NJW 2008, 1147). Diese Verpflichtung des Käufers hat nach Ansicht des BGH jedoch nicht zur Folge, dass ein Käufer sein Recht auf Mangelbeseitigung so vorsichtig ausüben müsste, dass seine Mängelrechte dadurch entwertet würden.

 

Der Käufer braucht nicht vorab zu klären um festzustellen, ob die von ihm beanstandete Erscheinung Symptom eines Sachmangels ist. Der Käufer muss lediglich im Rahmen seiner Möglichkeiten sorgfältig überprüfen, ob jene auf eine Ursache zurückzuführen ist, die nicht im Verantwortungsbereich des Verkäufers zuzuordnen ist. Bleibt dabei ungewiss, ob tatsächlich ein Mangel vorliegt, darf der Käufer Mängelrechte geltend machen, ohne Schadensersatzpflichten wegen einer schuldhaften Vertragsverletzung befürchten zu müssen, auch wenn sich sein Verlangen im Ergebnis als unberechtigt herausstellt. So ist es hier.

 

Die vom Kläger gerügte unterschiedliche Sitzhöhe und Faltenbildung hätte auf einen Produktionsfehler bei der Sitzhärte des Sofas zurückgeführt werden können. Dass das von ihm erworbene 3-sitige Sofa nach Prüfung eine warentypische Sitzhärte aufweist, war für den Kläger nicht von Anfang an erkennbar. Das die vom Kläger gerügte Mangelerscheinung ausschließlich auf sein Körpergewicht zurückzuführen sein dürfte, kann dem Kläger hier nicht zu einem Schuldvorwurf gereichen.

 

 

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs.2 Nr. 1, 101 Abs. 1, 74 Abs.1 ZPO und aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

 

 

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