Rüschung und Stoßverletzung

Aktenzeichen 5 C 283/09 Amtsgericht Warendorf vom 28.04.2009

 

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 100,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit April 2009 zu zahlen.

 

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

Die Klägerin trägt die kosten des Rechtsstreits.

 

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Die Parteien dürfen die Vollstreckung der Gegenseite jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Tatbestand:

  

Die Parteien streiten um Gewährleistungsansprüche aus zwei Kaufverträgen über eine Sofa – Wohnlandschaft und eine Schrankwand. Im Januar 2008 bestellte die Klägerin bei der Beklagten, einer Möbelhändlerin, eine Sofa - Wohnlandschaft zum Preis von 1.014,- Euro und ein Kleiderschrankprogramm zum Preis von 1.336,- Euro. Die Klägerin zahlte 507,- Euro auf die Wohnlandschaft und 668,- Euro auf den Schrank an. Die Bestellung der Wohnlandschaft stornierte die Klägerin im Januar 2008 und bestellte stattdessen die streitgegenständliche Wohnlandschaft zum Preis von 1.236,- Euro. In der Bestellung der Wohnlandschaft vom Januar 2008 heißt es in einem Stempelaufdruck u.a.:

Qualitätsansprüche, die über das Ausstellungsmodell hinausgehen!

„Qualitätsausfall – Alle Materialien, Oberflächen u. Die Verarbeitung entsprechen den Ausstellungsmodellen. Qualitätsansprüche, die über das Ausstellungsmodell hinausgehen, finden keine Anerkennung.“

 

Für die weiteren Einzelheiten der Bestellungen wird auf die Anlagen 1, 2 und 12 der Klageschrift verwiesen. Der Preis für die bestellte „Wohnlandschaft“ wurde später auf 1.130,- Euro reduziert.

 

Ab dem Zeitpunkt der Bestellung liegt dem Rechtsstreit hinsichtlich der „Wohnlandschaft“ folgender weiterer Sachverhalt zugrunde:

 

Die „Wohnlandschaft“ lieferte die Beklagte im März 2008 gegen Zahlung des Restkaufpreises von 623,- Euro. Bei der Anlieferung beanstandete die Klägerin, dass die Polster der „Wohnlandschaft“ schief und faltig genäht seien, das Polster am Longchair hoch stehe und die Sitzfläche des Longchair faltig genäht sei. Daraufhin beauftragte die Beklagte eine Überprüfung der „Wohnlandschaft“ vor Ort durch einen Polsterservice die im April 200/8 erfolgte. Im Mai 2008 forderte die Klägerin telefonisch die beklagte zum Austausch der „Wohnlandschaft“ auf. Anschließend lieferte die beklagte im Juni 2008 eine neue modellgleiche „Wohnlandschaft“ und holte gleichzeitig die im März 2008 gelieferte „Wohnlandschaft wieder ab. Auch die neue „Wohnlandschaft“ holte die Beklagte im Oktober 2010 wieder ab und lieferte zum dritten Mal eine neue „Wohnlandschaft“.

 

In dem Lieferschein für die dritte Lieferung stand der Passus: „Achtung, die Bearbeitung dieser Beanstandung erfolgt aus Kulanz und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“. Unstreitig bemängelte die Klägerin sowohl bei der im Juni 2008 als auch bei der im Oktober 2008 gelieferten „Wohnlandschaft“, dass diese die gleichen Fehler an den Polstern aufwiesen wie die erste gelieferte „Wohnlandschaft“. Auf dem von ihr unterschriebenen Lieferschein bzgl. des dritten Sofas hielt sie schriftlich fest: „Ware weist Mängel auf wie die 2 Sofas zuvor“. Wegen der Einzelheiten wird auf den Lieferschein vom Oktober 2008 verwiesen. Die Klägerin beanstandete mit der E-Mail vom Oktober 2008 auch die dritte gelieferte „Wohnlandschaft“ und forderte die Beklagte unter Ankündigung eines sonst erfolgenden Rücktritts zu einem Preisnachlass in Höhe von 50% auf. In der E-Mail heißt es u.a. :

„Diese Wohnlandschaft weist dieselben Fehler auf, wie die zwei vorherigen.“ … „Ich bin nicht bereit mir eine neue Wohnlandschaft, wie schon einmal von Ihnen vorgeschlagen, oder eine weitere Nachlieferung zu akzeptieren, da ich diesen Vorgang nun endlich zum Abschluss bringen möchte.“

 

Für weiter Einzelheiten der Beanstandung wird auf die E-Mail der Klägerin vom Oktober 2008, Anlage 3 der Klageschrift, verwiesen.

Mit schreiben vom Oktober 2008 lehnte die beklagte jeden Preisnachlass ab und erklärte, dass sie einen eventuell noch erfolgenden

 

Rücktritt seitens der Klägerin nicht akzeptieren werde. In dem Schreiben heißt es u.a. :

 

„Die Sitzpolster, die bei den vorherigen beiden Wohnlandschaften am Longchair werksseitig nicht richtig angebracht waren und leicht nach oben standen, sind bei der neuen Ware einwandfrei.“

 

Für weitere Einzelheiten des Schreibens wird auf Anlage 4 der Klageschrift verwiesen.

Gewährung eines Preisnachlasses

Mit E-Mail vom Oktober 2008 forderte die Klägerin die Beklagte unter Ankündigung eines Rücktritts erneut zur Gewährung eines Preisnachlasses auf, was die Beklagte mit Schreiben vom November 2008 erneut ablehnte. Die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin forderten die Beklagte daraufhin mit Schreiben vom November 2008 zur Abholung der Wohnlandschaft und Rückzahlung des Kaufpreises bis zum Dezember 2008 auf. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom November 2008 ab. Mit Schreiben vom Dezember 2008 erklärten die Prozessbevollmächtigten ausdrücklich den Rücktritt der Klägerin vom Kaufvertrag über die „Wohnlandschaft2 und forderten die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rücknahme der Wohnlandschaft bis zum Dezember 2008 auf. Für weitere Einzelheiten des Schriftwechsels ab dem Oktober 2008 wird auf die Anlagen 5 bis 10 der Klageschrift verwiesen.

 

Ab dem Zeitpunkt der Bestellung liegt dem Rechtsstreit hinsichtlich der Schrankwand folgender weitere Sachverhalt zugrunde:

Im März 2008 lieferte die Beklagte die Schrankwand an die Klägerin. Den Restpreis von 668,- Euro für die Schrankwand zahlte die Klägerin bei Übergabe der Schrankwand zunächst nicht. Bei der Übergabe beanstandete die Klägerin, dass sämtliche Türen der Schrankwand beim Verschließen unangenehme und unübliche Geräusche von sich gäben. Die Beklagte überprüfte daraufhin den Schrank vor Ort. Mit Schreiben vom September 2008 lehnte die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen der behaupteten Mängel an der Schrankwand ab. In dem Schreiben heißt es u.a.:

 

„Wir sind trotzdem bereit, aus Kulanz und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, Ihnen für die Unannehmlichkeiten nach Eingang des Restrechnungsbetrages in Höhe von 668,- Euro bis September 2008 in Form eines Warengutscheins in Höhe von 75,- Euro entgegenzukommen.“

 

Für die weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben der beklagten vom September 2008 in Anlage der Klageerwiderung verwiesen. Die Klägerin erwiderte auf das Schreiben vom September 2008 mittels E-Mail vom September 2008, in der es u.a. heißt:

 

„Da keine Reaktion ihrerseits erfolgte, gehe ich davon aus, dass Sie keine Möglichkeit sehen die ungewöhnliche Geräuschbelästigung durch eine erneute Reparatur abzustellen. Es bleibt also bei diesem Fehler. …. hätte ich den Vorgang „Schrank“ gern vorher abgeschlossen. Daher habe ich den noch fälligen Kaufpreis angewiesen möchte jedoch betonen, dass der Schrank weiterhin den beschriebenen Fehler aufweist. Deshalb möchte ich hiermit wenigstens die mir angebotenen 75,- Euro als Entschädigung für den weiter bestehenden Fehler an meinem Schrank einfordern.“

 

Für weitere Einzelheiten wird auf die E-Mail vom September 2008 in Anlage der Klageerwiderung verwiesen. Die Klägerin zahlte am selben Tag den restlichen Rechnungsbetrag in Höhe von 668,00 Euro an die Beklagte. Anfang Dezember 2008 übersandte die Beklagte einen Warengutschein in Höhe von 75,00 Euro an die Klägerin. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin forderten die beklagte mit Schreiben vom Dezember 2008 zur Beseitigung der Mängel an der Schrankwand bis zum Dezember 2008 auf. Ferner erklärten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom Dezember 2008 gegenüber der Beklagten, dass die Klägerin trotz Annahme des Warengutscheins an der geforderten Beseitigung der Mängel festhalte. Eine Mangelbeseitigung lehnte die Beklagte mit Schreiben vom Dezember 2008 ab.

Ungewöhnliche Faltenbildung am Sitzkissen

Die Klägerin behauptet, dass die dritte gelieferte „Wohnlandschaft“ ungewöhnliche Faltenbildung am Sitzkissen des Longchair sowie an dessen Lehne aufweise, die Nähte an mehreren Stellen schief vernäht seien, dass Polster des Longchair gegenüber den anderen Sitzpolstern einen Schiefstand aufweise, bei der Polsterung eine Blasenbildung vorliege und an der linken Ecke des Longchair an dessen Nahtkante ein Riss vorhanden sei.

Außerdem behauptet die Klägerin, dass diese Mängel mit Ausnahme des Risses auch bereits bei den ersten beiden gelieferten „Wohnlandschaften“ vorgelegen hätten. Die Beseitigung der Mängel verursache Kosten von mindestens 10% des Kaufpreises. Hinsichtlich der Schrankwand behauptet die Klägerin, dass sämtliche Türen der Schrankwand beim Schließen ein erhebliches Knackgeräusch verursachten, das möglicherweise auf das Schlagen der Türen gegen den Schrankkorpus zurückzuführen sei. Der Wert des Schrankes sei dadurch um 250,00 Euro gemindert und im Falle der Beseitigung der Geräusche durch ein Fachunternehmen entstünden ebenfalls Kosten in Höhe von 250,00 Euro brutto.

 

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.130,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5% - Punkten über dem Basiszinssatz aus 507,00 Euro seit Januar 2008 und aus 623,00 Euro seit März 2008 Zug um Zug gegen Übergabe des Sofas / Wohnlandschaft, mit Sitzpolstern und einem Longchair nebst vier gesonderten Kissen“Bella Luna“ der Farbe Granit zu zahlen;

 

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, folgende Mängel an der Sofawohnlandschaft durch ordnungsgemäße Nachbesserung und Instandsetzung zu beseitigen:

 

  • ungewöhnliche Faltenbildung am Sitzkissen des Longchair sowie auf der Lehne
  • schiefe Nähte an mehreren Stellen
  • Schiefstand des Sitzpolsters am Longchair gegenüber den anderen Sitzpolstern
  • Blasenbildung
  • kleines Loch / Rissbildung an der Nahtkante der linken vorderen Ecke des Longchair;

 

äußerst hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an sie – die Klägerin – einen Minderungsbetrag für das Sofa in Höhe von 450,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5% - Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit April 2009 zu zahlen.

 

festzustellen, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet;

 

die Beklagte zu verurteilen, an sie – die Klägerin – 250,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5% - Punkten über dem Basiszinssatz seit März 2009 zu zahlen;

 

die beklagte zu verurteilen, an sie 186,24 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5% - Punkten über dem Basiszinssatz seit März 2009 zu zahlen.

 

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Geräusche der Schranktüren

Sie behauptet, dass die im Oktober 2008 an die Klägerin gelieferte „Wohnlandschaft“ zum Zeitpunkt der Übergabe an die Klägerin keinerlei Mängel aufgewiesen habe; Wellen und Falten an den Sitzkissen und der lehne seien modellbedingte Erscheinungen, da die gesamte „Wohnlandschaft“ eine leichte Rüschung aufweise. Ein Riss sei bei der Auslieferung im Oktober 2008 nicht vorhanden gewesen. Weiterhin bestreitet sie, dass die im März 2008 und die im Juni 2008 gelieferten „Wohnlandschaften“ Mängel aufgewiesen hätten und behauptet stattdessen, der Hersteller habe sich jeweils aus Kulanz bereit erklärt, die ersten beiden „Wohnlandschaften“ auszutauschen. Die Geräusche der Schranktüren seien üblich und bewegten sich im Rahmen der Toleranzen. Schließlich beruft sich die Beklagte bzgl. der Schrankwand auf eine außergerichtliche vergleichsweise Erledigung durch die Übersendung des Warengutscheins über 75,00 Euro.

 

Das Gericht hat zu den behaupteten Mängeln und zu dem Zeitpunkt von deren Entstehen Beweis erhoben durch richterliche Inaugenscheinnahme der „Wohnlandschaft“ und der Schrankwand einschließlich Öffnens und Schließens der Türen sowie durch Vernehmung der Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom April 2009 nebst Anlagen verwiesen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zu den Gerichtsakten gereichten Unterlagen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Klage ist zulässig, aber nur geringfügig mit einem Teil des zweiten Hilfsantrages zu 1.b) begründet.

 

Die vier Klageanträge können im Wege der objektiven Klagehäufung nach § 260 ZPO in einer Klage verbunden gestellt werden, wobei die Hilfsanträge zu 1.a) und 1.b) jeweils unter die zulässige innerprozessuale Bedingung der Abweisung des jeweils vorherigen Antrages gestellt worden sind. Das Feststellungsinteresse für den Klageantrag zu 2. im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO ergibt sich aus der bei der Feststellung des Annahmeverzuges gegebenen Vollstreckungserleichterung gemäß den §§ 756, 765 ZPO.

 

In der Sache selbst hat aber lediglich der zweite Hilfsantrag zu 1. b) teilweise Erfolg, während der Hauptantrag zu 1. auf Rücktritt von dem Kaufvertrag, der erste Hilfsantrag auf Nachbesserung von Mängeln an der streitgegenständlichen „Wohnlandschaft“ sowie die Klageanträge zu 2. -4. allesamt unbegründet sind.

 

Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme vermag das Gericht der Klägerin lediglich aus den §§ 433, 430 Nr. 2, 441 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf anteilige Rückzahlung des Kaufpreises für die „Wohnlandschaft“ wegen Minderung in Höhe von 100,00 Euro zuzusprechen.

Der Longchair der Wohnlandschaft

Bei der durchgeführten Inaugenscheinnahme hat sich ergeben, dass der „Longchair“ der „Wohnlandschaft“ an der vorderen linken Ecke ein kleines, maximal 2 mm im Durchmesser breites Loch im Stoff aufweist, dass allerdings nur beim Bücken und genauen Betrachten des Sofas auffällt. Die Beklagte hat durch die Zeugenbeweisaufnahme den ihr gemäß den §§ 474, 476 BGB aufgrund des vorliegenden Verbrauchsgüterkaufs obliegenden Nachweis, dass das Sofa dieses Loch bei Übergabe im Oktober 2008 (§ 446 BGB) noch nicht aufgewiesen hat, nicht zu führen vermocht. Die Beweislastumkehr des § 476 BGB greift vorliegend nach Auffassung des Gerichts zugunsten der Klägerin trotz des Lieferscheins von Oktober 2008 ein, bei dem die Klägerin lediglich die gleichen „Mängel“ wie bei den vorherigen Lieferungen (Faltenbildung, schiefe Nähte etc.) gerügt hat.

 

Aus der Tatsache, dass die Klägerin auf dem Lieferschein noch nicht den nur beim Bücken und genauem Hinschauen aus nächster Nähe erkennbaren Mangel des kleinen Loches am Longchair gerügt hat, sondern nur die aus ihrer Sicht einen Mangel darstellenden Auffälligkeiten erneut gerügt hat, vermag das Gericht nicht einen Ausschluss der gesetzlichen Beweislastumkehr abzuleiten. Nach der Vernehmung der Zeugen geht das Gericht nicht davon aus, dass das – nicht genau am Rand, sondern 0,5 – 1 cm an der Innenseite des Longchair befindliche – kleine Löchlein durch die Benutzung des Sofas durch die Klägerin entstanden ist, sondern bei der Übergabe bereits vorhanden war.

 

Das Gericht konnte bei der Inaugenscheinnahme feststellen, dass sich das kleine Loch exakt in dem Stoff über der Ecke des Holz – longchairkorpus befindet, so dass es nachvollziehbar und plausibel ist, dass das kleine Loch etwa bei dem Transport des Sofas durch den nach den richterlichen Feststellungen sehr engen Hausflur oder die Wohnungstür bzw. Wohnzimmertür aus Unachtsamkeit entstanden ist. Jedenfalls hat die Beklagte das Gegenteil nicht zu ihrer Entlastung nachzuweisen vermocht.

 

Die Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit des Sofas ist allerdings durch das kleine Löchlein so geringfügig, nämlich lediglich bei ganz genauem Hinsehen optisch, dass eine Mangelbeseitigung durch Nachbesserung – unabhängig von der Frage, ob die Klägerin nach dem Übergang auf die Sekundärebene durch ihr Rücktrittsverlangen mit dem Hauptantrag noch einmal mit dem Hilfsantrag zurück auf die primäre Erfüllungsebene kehren kann – jedenfalls ersichtlich unverhältnismäßig wäre. Allerdings schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO, dass von den kleinen, bei genauerem Hinsehen sichtbaren Löchlein schon eine rechtlich relevante Minderung einer neu angeschafften Sofa - „Wohnlandschaft“ liegt – von der der Kunde einen lochfreien Bezug erwarten darf -, die das Gericht allerdings mit weniger als 10% des Anschaffungspreises von 1.1300,00 Euro taxiert und mit 100,00 Euro für angemessen bewertet hält.

 

Der Zinsanspruch auf diesen Minderungsbetrag folgt aus den §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

 

Bezüglich sämtlicher weiterer Ansprüche der Klägerin muss die Klage demgegenüber der Abweisung unterliegen:

Die Inaugenscheinnahme der Wohnlandschaft

Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme steht der Klägerin der mit dem Hauptantrag zu 1. geltend gemachte Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages wegen Rücktritts aus den §§ 433, 437 Nr. 2, 440,323,346,348 BGB – der einzigen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage – nicht zu. Aufgrund des eindeutigen Ergebnisses der Inaugenscheinnahme der „Wohnlandschaft“ ist das Gericht nämlich – ohne dass es der beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurfte – der Überzeugung im Sinne des § 286 ZPO, dass die „Wohnlandschaft“ - abgesehen von dem kleinen Löchlein, das lediglich die oben begründete Minderung rechtfertigt – keine Sachmängel im Sinne des § 434 BGB aufweist.

 

Es ist aufgrund bereits in früheren Rechtsstreitigkeiten eingeholter Gutachten gerichtsbekannt und überdies allgemein bekannt, dass mit Stoff überzogene Polsterungen von maschinell als Massenware hergestellten Sofas in einem vergleichsweise niedrigen Preissegment wie dem vorliegenden (Kaufpreis 1.130,00 Euro) keinen Sachmangel aufweisen, wenn die Nähte - wie vorliegend festgestellt - an einzelnen Stellen ganz leicht schief oder unregelmäßig verlaufen, der Stoff oberhalb oder unterhalb der Nähte leichte – auch unterschiedlich stark ausgeprägte – Faltenbildungen aufweist und die Sitzpolster leicht gewölbt oder leicht an einer Seite hochstehend erscheinen. Dabei kann offen bleiben, ob die wellen bzw. Falten an den Sitzkissen und an den Lehne-Polstern sich als modellbedingte, so konzipierte und gewollte „Rüschung“ darstellen – so die Behauptung der Beklagten – oder nicht.

 

Jedenfalls entspricht es der Erfahrung des Gerichts sowohl aus früheren Gutachten als auch aus vielfachen Inaugenscheinnahmen von neuen Sofas vergleichbarer Preisgrößenordnung im privaten Umfeld, dass Stoffsofas dieser Preiskategorie bereits im Neuzustand nicht exakt lotrecht und waagerecht verlaufende gerade Nähte aufweisen, sich die Sitzpolster ebenfalls nicht als schnurgerade, sondern bisweilen leicht gewölbt darstellen sowie oberhalb und unterhalb der Nähte der Stoff leichte Wellen- und Faltenbildung aufweist, und zwar unregelmäßig an einigen Stellen etwas mehr und an anderen Stellen etwas weniger bis gar nicht. Dies stellt nach Auffassung des Gerichts ersichtlich für ein neues Sofa mit einem Kaufpreis von unter 1.200,00 Euro keinen Sachmangel dar. Die Klägerin geht hier hinsichtlich ihrer Mängelbehauptungen mit einem Maßstab heran, der möglicherweise für ein Sofa in einem Hochpreis – Segment von mehreren tausend Euro angemessen sein könnte, jedoch die vorliegenden Anforderungen an die Lieferpflicht der Beklagten – die die Lieferung eines Sofas mittlerer Art und Güte schuldete – bei weitem überspannt.

 

Dies muss vorliegend jedenfalls deshalb gelten, weil die Beklagte durch Vorlage von Katalogfotos der Möbelherstellerin bewiesen hat, dass nach dem Modell identische, lediglich farblich andere „Wohnlandschaften“ des streitgegenständlichen Modells selbst im Austellungskatalog der Herstellerin an den Sitz- und Lehne-Polstern eine vergleichbare Faltenbildung und leichte Polsterwölbung aufweisen. Insoweit weicht das vorliegende Sofa nach dem Ergebnis der Inaugenscheinnahme ersichtlich nicht von dem ab, was nach den Ausstellungsstücken der Beklagten bzw. des Herstellers nach mittlerer Art und Güte geschuldet war.

 

Zumindest aber vermag das Gericht – wiederum ohne dass es der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurfte – beim besten willen nicht festzustellen, dass das vorgefundene Erscheinungsbild des Sofas im Falle doch vorhandener Mängel mehr als nur unerheblich von der geschuldeten Leistung im sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB abweicht. Bei der konkreten Abwägung der beiderseitigen Interessen ist insbesondere von der Unerheblichkeit auszugehen, wenn die Beeinträchtigung des Leistungsinteresse des Käufers durch eine Minderung hinreichend ausgeglichen wird (Ernst, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 323 Rn. 243). Als Kriterien sind insbesondere die Art der Mängel sowie die Frage heranzuziehen, ob sie in ihrer Gesamtheit eine erhebliche Pflichtverletzung darstellen, auch in Bezug auf die Preiskategorie der Kaufsache.

 

Die vorliegend allein in Betracht kommenden ästhetischen, optischen Beeinträchtigungen überschreiten nicht die Erheblichkeitsschwelle bei einem Sofa in der Preiskategorie bis 1.200,00 Euro. Dabei kommt es nicht auf die von der Klägerin durch Sachverständigengutachten unter Beweis gestellte Frage an, ob die Beseitigung der optischen Mängel insgesamt einen Aufwand von mehr als 10% des Kaufpreises erfordern würde. Wenn nämlich die Beklagte als Verkäuferin gemäß § 439 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BGB bereits die Nacherfüllung durch Nachbesserungsarbeiten verweigern könnte, weil diese im Verhältnis zu den allenfalls geringfügigen optischen Beeinträchtigungen nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich wäre und außer Verhältnis zu dem Wert der Sache in mangelfreiem zustand stünde, muss dieser Ausschluss erst recht einer noch weitergehenden Rechtsfolge wie dem vollständigen Rücktritt von dem Kaufvertrag und dessen Rückabwicklung entgegenstehen.

 

Kommt nach all dem nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein Anspruch der Klägerin auf Rücktritt von dem Kaufvertrag über die „Wohnlandschaft“ nicht in Betracht, kann auch der Feststellungsantrag auf Annahmeverzug keinen Erfolg haben.

 

Der Hilfsantrag zu 1. a) auf Nacherfüllung durch Nachbesserung / Instandsetzungsarbeiten aus den §§ 433,437 Nr.1, 439 BGB ist ebenfalls unbegründet. Zum einen ist dieser Anspruch nach Auffassung des Gerichts bereits dadurch ausgeschlossen, dass die Klägerin ihr Wahlrecht ausgeübt hat, indem sie zweimal Nacherfüllung durch Austausch des Sofas verlangt hat und danach durch die Erklärung des Rücktritts auf die Sekundärebene der Gewährleistung übergangen ist. Ein Rückkehr zu der primären Erfüllungsebene unter Wahl einer anderen Art der Nacherfüllung steht ihr insoweit nicht mehr zu.

Die Unverhältnismäßigkeit

Im Übrigen steht der Klägerin – wobei der Beweisantritt offen bleiben kann, ob Nachbesserungsarbeiten mehr als 10% des Kaufpreises ausmachen würden – aus den oben genannten gründen jedenfalls wegen Unverhältnismäßigkeit im Sinne des § 439 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BGB kein Anspruch auf Nacherfüllung durch Nachbesserungsarbeiten zu. Zudem würde ein Nachbesserungsanspruch von vornherein einen Sachmangel voraussetzen, den das Gericht aus den oben benannten Gründen – abgesehen von dem lediglich ein Minderungsrecht begründenden kleinen Loch an der Ecke des Longchair – nicht zu erkennen mag.

 

Der mit dem Klageantrag zu 3. geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung eines anteiligen Kaufpreises von 250,00 Euro wegen Minderung der Schrankwand aus den §§ 437 Nr.2, 441 Abs. 1 und Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB – der einzigen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage – steht der Klägerin ebenfalls nicht zu. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Inaugenscheinnahme steht nämlich auch ohne Sachverständigengutachten zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Schrankwand ersichtlich keinen zur Minderung berechtigten Sachmangel durch erhebliche Knackgeräuschbildung bei dem verschließen der Schrankwandtüren aufweist. Das Gericht konnte sich persönlich davon überzeugen, dass die Schrankwandtüren keinerlei unangemessen laute Geräusche verursachen, wenn man diese in einer vernünftigen und üblichen Weise öffnet und schließt.

 

Das die Schrankwandtüren das Geräusch eines lauteren Schlagens auf das Holz des Schrankkorpus verursachen, wenn man sie wie von der Klägerin demonstriert mit Wucht zuwirft, liegt auf der Hand. Ohne das es darauf ankommt, ob der Verkäufer bei dem Schließen des Ausstellungsstückes der Klägerin demonstriert haben mag, dass auch dann nur ein Luftzug ohne lauteres Geräusch feststellbar gewesen sein mag, erscheint dem Gericht als abwegig, aus den durch ein wuchtiges – im Alltag absolut unübliches – Zuwerfen der Schranktüren verursachten Geräuschen eine Minderung der Gebrauchstauglichkeit des Schrankes abzuleiten, die man durch ein schlichtes übliches Zuschließen ohne Zuwerfen der Türen problemlos vermeiden könnte. Das normale Öffnen und Schließen der Türen des streitgegenständlichen Schrankes ließ sich durch den Vorsitzenden Richter in gebotenem Tempo ohne erkennbare Geräuschbildung vollziehen. Es bedarf keines Gutachtens, um die Feststellung zu treffen, dass die von der Klägerin durch festes Zuwerfen der Türen verursachten Geräusche nicht auf eine übliche Nutzung der Schrankwandtüren zurückzuführen sind. Vom objektiven Empfängerhorizont jedes vernünftigen Dritten betrachtet kann es nach dem eindeutigen Ergebnis der Inaugenscheinnahme keinerlei Zweifel unterliegen, dass hier bei gebrauchsüblicher Nutzung der Schrankwand nicht ansatzweise ein Sachmangel ersichtlich ist.

 

Darauf, ob etwaige Minderungsansprüche der Klägerin in Bezug auf die Schrankwand durch einen außergerichtlichen Vergleich nach § 779 BGB wegen der Zusendung und Annahme eines Wertgutscheins von 75,00 Euro ausgeschlossen sein könnten, kommt es nach all dem nicht an.

 

Schließlich steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten von 186,24 Euro aus den §§ 280, 241 BGB wegen Vertragsverletzung oder den §§ 280, 286 BGB wegen Verzuges zu. Zum einen war das außergerichtliche Tätig – werden der klägerischen Bevollmächtigten auf die Durchsetzung von Ansprüchen bezogen, die nach dem Vorstehenden von vornherein unbegründet waren, während der allein zugesprochene geringfügige Minderungsbetrag bzgl. des Sofas nicht Gegenstand der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung war. Im Übrigen war die Klägerin angesichts der bereits vorgerichtlichen erfolgten, detailliert begründeten Ablehnung ihrer Ansprüche durch die Beklagte gehalten, ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten zur Schadensminderung (§§ 254 Abs. 2 BGB, 19 Abs. 1 RVG) von vornherein zumindest auch unbedingten Klageauftrag zu erteilen, da sie nicht mehr ernstlich mit dem Erfolg einer rein außergerichtlichen anwaltlichen Rechtsverfolgung rechnen durfte (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2006, Seite 242f.).

 

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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