Außergewöhnliche Farbabriebspuren Teil 2

Zum Farbabrieb :

Die Farbe des 3-sitzigen Sofas sei erkennbar im Bereich der Handauflagen und der Armauflagen der Armlehnen, sowie die Innenflächen der Armlehnen auf dem Lederbezug aufgehellt. Der insofern von ihm untersuchte Lederbezug sei dann im Labor nach der „DIN EN ISO 11640“ und der „DIN EN 13336 Leder“ sowie anhand des Graumaßstabs der„DIN EN ISO 20105-A03“ auf Reibechtheit untersucht und bewertet worden. Dabei sei jedoch festgestellt worden, dass das hier verwendete Leder nicht den Anforderungen an die Reibechtheit genügt, weil in allen Punkten die vorgegebenen Noten hier überschritten worden sind, da in Punkto „nass“, nur die Note 1-2 hier vorlag, während die Note 4-5 von der DIN verlangt wird und bei „Schweiß“ nur die Note 2-3 erzielt wurde, während auch hier eine Note von 4-5 von der DIN verlangt wird, so dass die ungenügende Reibechtheit auch die Ursache für den von ihm festgestellten Farbabrieb und die Aufhellungen sei.

Zur Riss- (Kratzer-) - bildung :

Insofern habe er das Dauerbiegeverhalten nach „DIN EN ISO 5402“ in 50.000 Faltungen untersucht. Um die Mängel in der Zurichtung nachzustellen sei die Lederprobe hinsichtlich der Dauerbiegefestigkeit im Flexometer (DIN EN ISO 5402) untersucht worden. Insofern dürften aber nach 20.000 Knickungen noch keine Risse bzw. Veränderungen der Lederoberfläche erkennbar sein. Hier sei von ihm allerdings festgestellt worden, dass diese Zahl ohne Risse hier gerade nicht erreicht wurde. Zudem seien nach 50.000 Knickungen sogar starke Risse in der Zurichtung aufgetreten, die den untersuchten Rissen der Ledergarnitur des Klägers ähnelten.

 

Aus diesen Gründen musste der Sachverständige hier feststellen, dass das bei der Polstergarnitur des Klägers verwendete Leder somit hier gerade nicht den Anforderungen für pigmentierte Möbelleder nach der DIN EN 13336:2004 und der RAL GZ 430,4 – aufgrund der ungenügenden Reibechtheit und der ungenügenden Dauerbiegefestigkeit – entspricht.

Zu den „Dellen“/Verformungen :

Zwar stellte der Sachverständige hier als „Delle“ auch die Abzeichnung einer kreisförmigen Welle auf dem mittleren Bezug des mittleren Sitzes des 3-Sitzer-Sofas fest, jedoch hat er sachkundig dargelegt, dass diese Verformung des mittleren Sitzes durch die Nutzung des Sofas quer zur Sitzrichtung beim Liegen durch den Kläger hervorgerufen wurde und somit ihre Ursache in dieser Nutzung habe, da derartige Polstermöbel für das Sitzen, d.h. Die Beanspruchungen der Polsterung von hinten nach vorn, von oben nach unten – wie das beim Sitzen der Fall ist – ausgelegt sei und insofern keine Liegemöbel sind. Wird dessen ungeachtet jedoch quer zu dieser Richtung die Polsterung beansprucht, so würde dies nicht der Konstruktion derartiger Lederpolstergarnituren („legere Polsterung“) entsprechen. Insofern konnte er also hier feststellen, dass das vorgefundene knautschige Erscheinungsbild hinsichtlich der Wellen und Faltenbildung als „normal und üblich“ bei der hier vorgefundenen Bezugstechnik anzusehen ist.

Der Farbabrieb und die Rissbildung

Zusammenfassend konnte der Sachverständige somit hier fachkundig und für das Gericht auch schlüssig und nachvollziehbar feststellen, dass der Farbabrieb und die Rissbildung der streitbefangenen Ledergarnitur hier jeweils nicht den einschlägigen DIN entsprechen. Ein Fehler ist hier also aufgrund der Beschaffenheit des Leders drohende Gefahr einer – selbst bei normalem Gebrauch – eintretenden und störenden Farbveränderung und einer Rissbildung.

 

Übliche Eigenschaften einer Sache können sich aber insbesondere aus öffentlich-rechtlichen Bestimmungen und DIN – Normen ergeben. Derartige übliche Eigenschaften einer Sache kann ein Käufer aber in der Regel immer erwarten. Der Bundesgerichtshof hat insofern zwar auch wiederholt darauf hingewiesen, dass DIN – Normen keine Rechtsnormen sind, sondern nur private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter. Jedoch hat der Bundesgerichtshof zugleich auch immer wieder dargelegt, dass diese DIN – Normen die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben oder höchstens hinter diesen zurückbleiben , so dass eine Nichteinhaltung dieser DIN Normen in der Regel – wie auch im vorliegenden Fall – eine negative Abweichung vom Sollzustand der Sache und somit einen Sachmangel im Sinne des § 434 BGB darstellt.

 

Die von dem Sachverständigen zur Erläuterung herangezogenen und zitierten DIN-Normen geben insofern hier aber eine eindeutige Antwort auf die Frage nach Sachmängeln im Sinne des Vortrags der Klägerseite, auch wenn die entsprechende Grenzziehung schon aus sachverständigem Erfahrungswissen erfolgen konnte. Auch war die streitbefangene Ledergarnitur insofern unstreitig schon bei Gefahrübergang mit diesem Sachmangel in der Form der Nichteinhaltung dieser DIN Normen behaftet.

 

Unstreitig hat der Kläger hier auch von der Beklagten eine Nacherfüllung verlangt. Der Schriftverkehr der Parteien ergibt keinen Anlass daran zu zweifeln, dass es dem Kläger zunächst um die Nacherfüllung ging und er diese von der Beklagten deutlich verlangt hat. Auch hatte der Kläger der Beklagten eine Fristsetzung zur Nacherfüllung gemäß § 440 BGB gesetzt gehabt. Zudem hätte es einer Fristsetzung hier noch nicht einmal bedurft. Das Setzen einer Frist ist nämlich im Verbrauchsgüterkauf grundsätzlich nicht erforderlich. Der § 323 BGB sieht zwar – abgesehen von hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen – das Erfordernis der Fristsetzung vor. Die Vorschrift § 323 BGB ist jedoch im Hinblick auf die Verbrauchsgüterrichtlinie der Europäischen Union (EU RL 1999/44) richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass für den Rücktritt alleine der Ablauf, nicht aber das Setzen einer angemessenen Frist erforderlich ist. Immer dann, wenn ein nationales Gesetz nicht mit einer EU-Richtlinie übereinstimmt, besteht Anlass für die Prüfung einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung. Ein Fall der fehlenden Übereinstimmung liegt hier vor. Während das deutsche Gesetz in § 323 Abs. 1 BGB ausdrücklich das Setzen einer Frist verlangt, genügt nach Art. 3 Abs. 5 zweiter Spiegelstrich EU RL 1999/44 der Ablauf einer Frist, indem es dort heißt:“...wenn der Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist Abhilfe geschaffen hat...“. Damit hat das deutsche Gesetz die Voraussetzungen des Rücktritts für den Verbraucher in einer Weise erschwert, welche die Richtlinie so nicht vorgesehen hat. Der § 323 BGB hat einen erheblichen weiteren Anwendungsbereich als Art. 3 Abs. 5 zweiter Spiegelstrich EU RL 1999/44. Die überschießende Umsetzung ist deswegen im Wege der richtlinienkonformen Auslegung einschränkend dahingehend auszulegen, dass es der Fristsetzung gemäß § 323 BGB bei Verbrauchsgüterkäufen als Voraussetzung für den Rücktritt nicht bedarf. Vielmehr genügt es, wenn eine angemessene Frist für die gegebene Gelegenheit der Nacherfüllung verstrichen ist, ohne dass der Käufer jene gesetzt hatte. Weil der zu privaten Zwecken handelnde Kläger Verbraucher im Sinne des § 13 BGB und die Beklagte Unternehmerin im Sinne des § 14 BGB ist, liegt insofern aber hier auch ein Fall des Verbrauchgüterkaufes vor.

 

Jedenfalls bis zu der Erklärung des Rücktritts mit Schreiben vom 30.04.2010 war eine solche angemessene Frist abgelaufen. Der Verkäufer einer mangelhaften Sache muss sich auf das Nacherfüllungsverlangen des Käufers hin besonders anstrengen, den Mangel zügig zu beseitigen. Maßstab für die Nacherfüllungsfrist kann daher regelmäßig nicht die ursprüngliche Lieferfrist sein und der Verkäufer darf auch nicht mit der Nacherfüllung zuwarten, bis es seinerseits Gewährleistungsansprüche mit seinem Lieferanten geklärt hat. Eine ausdrückliche Vereinbarung der Parteien für Nacherfüllungsfristen ist nicht vorgetragen, ebenso wenig sind es die wohl einbezogenen allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten. Bei Gebrauchsgegenständen aus Serienproduktion ist aber regelmäßig eine Nacherfüllung binnen weniger Tage zu erwarten. Beim Möbelkauf – wie hier – kann eine angemessene Frist für die Nacherfüllung wegen der Produktions- und Lieferdauer gegebenenfalls etwas länger sein. Ohne dass – wie hier – Besonderheiten einer längeren Produktions- und Lieferfrist vorgetragen sind, ist jedoch davon auszugehen, dass die maximale Nacherfüllungsfrist beim Möbelkauf vier Wochen beträgt. Hier ist der Rücktritt vom 30.04.2010 aber erst ca. 2 Monate nach der Mängelrüge vom 01.03.2010 erklärt worden. Unter diesen Umständen war bei der Rücktrittserklärung aber eine angemessene Nacherfüllungsfrist abgelaufen, so dass der Kläger hier auch zum Rücktritt berechtigt war.

Die Nutzung der Lederpolstergarnitur

Der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 1.499,00 Euro gemäß § 346 Abs. 1 BGB verkürzt sich nach der gleichen Vorschrift aber auf 1.068,19 Euro wegen zwischenzeitlich durch den Kläger gezogener Nutzungen. Einer Aufrechnung durch die Beklagte bedarf es dazu nicht, weil hier durch den Rücktritt ein einheitliches Abwicklungsverhältnis entstand. Für die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung (20.04.2012) gezogenen Nutzungen – die Gebrauchsvorteile (§ 100 BGB) – hat der Kläger gemäß § 346 BGB Wertersatz zu leisten. Die gezogenen Nutzungen sind insoweit aber als zeitanteilige lineare Wertminderung zu ermitteln.

 

Die Kaufsache „Lederpolstergarnitur“ hat – entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten – eine Lebensdauer von ca. 10 Jahren.

 

Insofern ist dem Kläger die Nutzung der Lederpolstergarnitur hier aber vom 09.07.2009 (dem Tag der Lieferung der streitbefangenen Lederpolstergarnitur an den Kläger) bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im hiesigen Rechtsstreit (20.04.2012) und nicht nur bis zum Zeitpunkt des Eintritts des Verzuges der Beklagten mit der Abholung der Lederpolstergarnitur (21.05.2010) anzurechnen, auch wenn die Beklagte bereits seit diesem Zeitpunkt in Annahmeverzug geraten war (§§ 293 ff. BGB) und es somit hier selbst in der Hand hatte, ob der Kläger diese Lederpolstergarnitur weiter nutzen konnte oder nicht. Der Kläger kann sich jedoch hier nicht darauf berufen, dass er die Nutzung der Lederpolstergarnitur aufgedrängt worden sei, weil die Beklagte ihre Pflicht zur Abholung der Lederpolstergarnitur nicht nachgekommen sei. Denn hätte die Beklagte frühzeitig die Lederpolstergarnitur entgegengenommen, hätte der Kläger sich eine andere Lederpolstergarnitur beschaffen müssen, die in der seither verstrichenen Zeit auch abgenutzt worden wäre; demgegenüber kann er, wenn die Beklagte – nach Rechtskraft des hiesigen Urteils – nunmehr die Lederpolstergarnitur abholt, eine neue, noch nicht genutzte Lederpolstergarnitur erwerben .

 

Bei einer demnach hier zu veranschlagenden „Lebensdauer“ derartiger Lederpolstergarnituren von ca. 3.650 Tagen und eine Nutzung vom 09.07.2009 (Tag der Lieferung) bis zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung am 20.04.2012 hat der Kläger diese Lederpolstergarnitur somit hier 1.047 Tage nutzen können, so dass die Abnutzung demnach im vorliegenden Fall mit 1.047/3.650 oder 28,6849% anzusetzen ist.

 

Insofern ergibt sich hier dann aber auch ein Abzug für gezogene Nutzungen von dem Kaufpreis in Höhe von 1.499,00 Euro in Höhe von 429,99 Euro (28,6849% von 1.499,00 Euro). Damit sind dem Kläger dann aber von dem Kaufpreis in Höhe von 1.499,00 Euro auch nur noch 1.069,01 Euro (1.499,00 Euro – 429,99 Euro) durch die Beklagte (Zug um Zug gegen Rückgabe der Polstergarnitur) zu erstatten, so dass die Klage hinsichtlich der begehrten Zahlung insoweit auch in Höhe von 429,99 Euro abzuweisen ist. An der Beachtung von Gebrauchsvorteilen ist das Gericht auch nicht durch die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie gehindert. Das zeigt deren Erwägungsgrund Nr. 15, wonach die Mitgliedstaaten vorsehen können, dass eine dem Verbraucher zu leistende Erstattung gemindert werden kann, um der Benutzung der Ware Rechnung zu tragen, die durch ihn seit Lieferung erfolgt ist.

 

Der Feststellungsantrag des Klägers ist ebenfalls begründet. Mit Erklärung des Rücktritts und der Aufforderung, die Lederpolstergarnitur Zug um Zug gegen Erstattung des Kaufpreises zurückzunehmen, ist die Beklagte in Annahmeverzug geraten (§§ 293 ff.). Die von Seiten des Klägers geschuldete Leistung, nämlich Herausgabe der Lederpolstergarnitur, ist der Beklagten so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten worden. Die Beklagte ist darauf aber unstreitig nicht eingegangen.

 

Bei dem hier durch die Klägerseite u.a. noch geltend gemachten Zahlungsanspruch gegenüber der Beklagtenseite bezüglich der vorprozessualen/außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 186,24 Euro, die nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 des Vergütungsverzeichnisses nicht in voller Höhe auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet werden, handelte es aich um eine Nebenforderung im Sinne § 4 ZPO, die bei der Streitberechnung unberücksichtigt zu bleiben hat.. Dies entspricht der ständigen herrschenden Rechtsprechung.

 

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf §§ 91 und 92 ZPO.

 

Der Anspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Vollstreckungsabwendungsbefugnis beruhen auf §§ 708 Nr.11 und 711 ZPO.

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