Gerichtsurteil zum Rücktritt vom Möbelkauf bei Mängeln – Kleiderschrank mit fehlenden Schubladenböden
Ein aktuelles Urteil beschäftigt sich mit einem Streitfall im Möbelkaufrecht: Ein Verbraucher hatte bei einem Händler einen Kleiderschrank inklusive Türdämpfer für 700,90 Euro bestellt. Nach Lieferung stellte sich heraus, dass drei Schubladenböden fehlten. Der Käufer forderte per E-Mail eine Nacherfüllung unter Fristsetzung. Nachdem die Frist erfolglos verstrich, erklärte er im Juni 2023 per Fax den Rücktritt vom Kaufvertrag gemäß § 349 BGB.
Die Verkäuferin verweigerte die Rückabwicklung und behauptete, die Abholung sei vereinbart gewesen. Sie habe die fehlenden Teile nachbestellt, doch der Käufer habe die Annahme verweigert.
Das Gericht stellte fest:
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Ein Sachmangel lag vor (§ 434 BGB), da die Lieferung unvollständig war.
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Die gesetzte Frist zur Nacherfüllung war angemessen (§§ 323, 475 BGB).
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Der Käufer durfte nach Fristablauf wirksam vom Vertrag zurücktreten.
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Die Verkäuferin befindet sich im Annahmeverzug (§§ 293, 295 BGB).
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Der Käufer hat Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises sowie Abholung des Kleiderschrankes aus seiner Wohnung.
Besonders relevant ist die Auslegung der Nachlieferungsfrist: Bei Standardmöbeln wie einem Kleiderschrank darf diese nicht länger als 9 Wochen betragen. Das Gericht berücksichtigte dabei die Interessen beider Parteien und die Tatsache, dass es sich um keine Maßanfertigung handelte.
Zudem wurde klargestellt, dass der Verkäufer bei Rücktritt verpflichtet ist, die Kaufsache auf eigene Kosten zurückzunehmen, wenn der Käufer ein berechtigtes Interesse daran hat – etwa bei sperrigen Möbeln, die nicht einfach gelagert werden können (§§ 346, 242 BGB).
Dieses Urteil stärkt die Verbraucherrechte beim Möbelkauf und zeigt, wie wichtig eine klare Fristsetzung und Dokumentation bei Mängeln ist.
Vollständiges Urteil: Amtsgericht Recklinghausen 54 C 109/23
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 700,90 Euro zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe des Kleiderschrankes.
Tatbestand:
Der Kläger schloss mit der Beklagten einen Vertrag über die Lieferung eines Kleiderschrankes nebst Türdämpfer zu einem Preis von 700,90 Euro. Als der Kläger das Möbel erhielt, fehlten 3 Schubladenböden. Der Kläger richtete mit seiner E-Mail eine Nacherfüllungsforderung unter Hinweis auf zahlreiche Mängel sowie die fehlenden Schubladenböden an die Beklagte mit Fristsetzung. Nachfolgend verlängerte er die Frist. Mit Fax vom Juni 2023 an die Beklagte erklärte der Kläger den Rücktritt vom Vertrag. Die Beklagte lehnte die Rückabwicklung des Vertrages ab.
Der Kläger behauptet, es sei die Anlieferung und Montage des Kleiderschrankes durch die Beklagte vereinbart gewesen.
Der Kläger beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 700,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe des Kleiderschrankes nebst zugehörigen grauen Türdämpfern für Schiebetürenschränke.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Gegenstände beim Kläger abzuholen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, es sei die Abholung des Kleiderschrankes durch den Kläger vereinbart gewesen, der diesen aufgebaut habe. Die Information über die 3 fehlenden Schubladenböden, habe sie erhalten. Ihr Kundendienst sei nach Terminvereinbarung mit dem Kläger vor Ort gewesen. Sie habe die Schubladenböden beim Hersteller des Kleiderschrankes nachbestellt; diese seien ihr geliefert worden. Sodann habe der Kläger die Entgegennahme verweigert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Prozessstands wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung des Kaufpreises von 700,90 Euro Zug um Zug gegen Rückgewähr des Kleiderschrankes aus §§ 437 Nr. 2; 232 Abs. 1; 475 Abs. 6 S 1; 346 Abs. 1, Abs. 2; 348; 322; 293; 295 BGB.
Die Parteien schlossen einen Kaufvertrag über die Lieferung des Kleiderschrankes zu einem Kaufpreis von 700,90 Euro, wobei der Kläger als Verbraucher handelte, §§ 433; 474 BGB. Der Kleiderschrank war bei Auslieferung an den Kläger, gleichgültig ob die Beklagte zur Verbringung in die Wohnung des Klägers oder der Kläger zur Abholung am Geschäftssitz der Beklagten verpflichtet war, sachmangelhaft wegen der fehlenden 3 Schubladenböden, § 434 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 BGB. Der Kläger richtete ein Nacherfüllungsverlangen. Die vom Kläger zur Nacherfüllung gesetzte Frist ist auch angemessen gemäß §§ 323 Abs.1; 475 Abs. 5; 475 d Abs. 1 Nr. 1 BGB. Es kommt insoweit auf letzte gesetzte Frist an, mithin die zum 30.05.2023, denn der Gläubiger kann die gesetzte Nacherfüllungsfrist zu Gunsten des Schuldners einseitig verlängern (Schwarze in Staudinger, BGB, Stand März 2023, § 323 RZ. B 69; Ernst in MüKo-BGB, 9. Aufl., § 323 Rn. 59).
Die Angemessenheit einer Nacherfüllungsfrist bestimmt sich nach den Umständen des konkreten Vertrags, wobei die Interessen beider Vertragsparteien zu berücksichtigen sind. Einerseits hat der Gläubiger ein Interesse an alsbaldiger Klarheit darüber, ob der Schuldner die Leistung erbringen wird; andererseits soll dem Schuldner die letzte Möglichkeit gegeben werden, die Leistung tatsächlich noch zu erbringen. Die Frist muss daher so lang bemessen sein, dass der Schuldner in der Lage ist, die bereits begonnene Erfüllung zu beschleunigen und zu vollenden. Sie braucht jedoch nicht so lang zu sein, dass der Schuldner die Möglichkeit hat, erst jetzt mit der Leistungsvorbereitung, z.B. der Beschaffung von Gattungssachen, zu beginnen (Beckmann in jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 323 Rn.28).
Das Gericht orientiert sich bei der Bestimmung der Angemessenheit der Nachlieferungsfrist bei einem nicht individuell angefertigten Kleiderschrank an der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zum Möbelkauf. Danach ist bei einem Möbelkauf eine pauschale AGB-Nachlieferungsfrist von 4 Wochen zu lang (BGH, Urteil vom 31. Oktober 1984, VIII ZR 226/83, NJW 1985, 320, zit. Nach juris Rn.32), eine längere Frist kann hingegen bei nach individuellen Vorgaben angefertigten Einbauküchen angemessen sein (BGH, Urt. V. 25.10.2006, VIII ZR 23/06, NJW 2007, 1198, Rn. 25-29).
Vorliegend ist im Kaufvertrag als Liefertermin vereinbart worden „Abholwoche ca. 14./15. KW“, mithin eine Lieferzeit von 8-9 Wochen Lieferzeit. Die belegte tatsächliche Abholung an der Warenausgabe erfolgte am 31.03.2023, mithin nach 7 Wochen. Die Dauer der vereinbarten Lieferzeit ist als Höchstgrenze des angemessenen Zeitbedarf für eine Nachlieferung für eine komplette Neubestellung beim Lieferanten der Beklagten anzusehen. Maximal beträgt eine angemessene Nachlieferungsfrist hier also 9 Wochen ab dem Nacherfüllungsverlangen. Vom 07.04.2023, die Frist endete daher am 09.06.2023. Er erscheint auch durchaus vertretbar, diese Frist noch kürzer zu bestimmen, weil es sich bei den nachzuliefernden Schubladeböden nicht um Einzelanfertigungen, sondern Standardware handelte. Das Risiko einer Lieferverzögerung durch den Hersteller trifft die Beklagte als Verkäuferin.
Der Kläger erklärte gegenüber der Beklagten nach fruchtlosem Ablauf der angemessenen Frist zur Nacherfüllung den Rücktritt gem. § 349 BGB durch Fax vom 02.06.2023.
Der Erfüllungsort der Nacherfüllung ist gem. § 269 BGB der Belegenheitsort des Schrankes, dementsprechend kann für die Rückgewähr eine Holschuld des Verkäufers angenommen werden (Faust in BeckOK-BGB, Stand 01.11.2023, § 475 Rn. 46, 52; Grunewald in Erman, BGB, 17. Aufl., § 475 Rn. 12; a. A. gegen Rücknahmepflicht: Schmidt in BeckOK-BGB, § 346 Rn. 44).
Der Zinsanspruch ergibt sich aus Verzugsgesichtspunkten gem. §§ 280 Abs. 2; 286 Abs. 2 Nr. 3; 288 Abs. 1; 291 BGB.
Die Beklagte befindet sich nach alledem auch in Annahmeverzug betreffende die Rückgewähr des Kleiderschrankes durch den Kläger.
Der Kläger hat auch Anspruch gegen die Beklagte auf Abholung des Kleiderschrankes aus seiner Wohnung, wohin dieser vertragsgemäß aufgebaut steht. Aus § 475 Abs. 6 S. 1 BGB ergibt sich allerdings nur die Verpflichtung des Verkäufers die Kosten der Rückgabe der Kaufsache durch den Käufer zu tragen, wenn dieser Verbraucher ist (Weidenkaff in Grüneberg, BGB, 83. Aufl., § 475 Rn.9). Aus § 346 BGB/ § 242 BGB / der Störungsbeseitigungspflicht aus dem Rückgewährschuldverhältnis ergibt sich ein Anspruch gegen den Verkäufer auf Rücknahme der Kaufsache jedenfalls dann, wenn der Käufer ein schutzwürdiges Interesse an der Rücknahme hat (Grüneberg, a. a. O.; § 346 Rn. 5; Hager in Dauner-Lieb/Langen, Stand 01.11.2023, § 346 Rn. 44 a E.; Kaiser in Staudinger, 2012, § 346 Rn. 91 ff).
Dies ist bei einem großen, für den durchschnittlichen Verbraucher nicht ohne erhebliche räumliche Einschränkungen im Haus oder der Wohnung zu verwahrende Möbel wie einem Kleiderschrank anzunehmen. Dies erscheint auch unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes, wonach von der Ausübung des (berechtigten) Rücktrittsrechts nicht wegen der Sorge um die Rückschaffung der Kaufsache abgeschreckt werden soll, vorzugswürdig. Die Kostentragungspflicht des Verkäufers für die Kosten der Rücksendung gemäß § 475 Abs. 6 S. 1 BGB hilft insoweit nicht weiter, weil der Käufer daraus entweder Vorschuss verlangen oder nachfolgend die Rückerstattung der Kosten geltend machen müsste und bei einer Weigerung des Verkäufers mit der Verwahrung der Kaufsache für die Prozessdauer beziehungsweise mit der Vorfinanzierung der Transportkosten belastet bleibt.
Zum vollständigen Urteil