Abweichungen von Maßdaten bei Teppichen

Aktenzeichen 4 C 390/11 Amtsgericht Werl vom 27.02.2012

 

Die Klage wird abgewiesen.

 

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

 

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit leistet in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

 

Tatbestand

 

Die Klägerin bestellte einen Teppich Nepal Atlantis mit den Maßen 2,5m x 4,5m.

 

In § 3 der AGB der Beklagten ist ein Änderungsvorbehalt enthalten:

 

§ 3 Änderungsvorbehalt […] 6. Auch handelsübliche und für den Käufer zumutbare Abweichungen von Maßdaten bleiben vorbehalten und gelten als vertragsgemäße Leistung.

 

Die Klägerin erhielt den bestellten Teppich und bezahlte den Kaufpreis.

 

Die Maße des Teppichs beliefen sich jedoch tatsächlich auf 2,42m x 4,48m. Am 01.06.2011 forderte die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 30.06.2011 zur Nachbesserung auf. Unter dem 29.06.2011 erklärte die Beklagte, dass die Maßabweichung sich im Toleranzbereich befinde, so dass kein Mangel vorliege.

 

Die Klägerin erklärte unter dem 04.08.2011 den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Weist der Teppich erhebliche Gerüche auf`?

Sie behauptet, dass sie im Verkaufsgespräch den Verkäufer ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass die Maße genau eingehalten würden. Sie habe darauf besonderen Wert gelegt und dies auch dem Verkäufer gegenüber deutlich zum Ausdruck gebracht.

 

Darüber hinaus weise der Teppich erhebliche Gerüche auf, die einen Verbleib des Teppichs im Raum unmöglich werden ließen. Zudem sei der Teppich an den Kanten ungerade und weise einen Bogen auf.

 

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.745,00,- Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2011 Zug um Zug gegen Rückgabe des Teppichs zu bezahlen,

 

festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme im Annahmeverzug befindet,

 

die Beklagte zu verurteilen, sie von den Rechtsanwaltskosten freizustellen.

 

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

 

Sie bestreitet, dass im Rahmen des Verkaufsgespräches die Einhaltung konkreter Maße vereinbart worden sei. Die Klägerin habe nicht zum Ausdruck gebracht, besonderen Wert auf die genaue Einhaltung der Maße gelegt zu haben. Dies habe sie insbesondere dem Verkäufer auch nicht mitgeteilt.

 

Die Beklagte ist der Ansicht, dass keine erhebliche Abweichung vorliege, vielmehr liege diese noch im Toleranzbereich und könne wegen des vereinbarten Änderungsvorbehaltes nicht geltend gemacht werden.

 

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.02.2012.

Entscheidungsgründe

 

Die zulässige Klage ist unbegründet.

 

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gemäß §§ 437 Nr.2, 434, 323, 346 BGB.

 

Die Parteien haben über den streitgegenständlichen Teppich einen Kaufvertrag gemäß § 433 BGB geschlossen.

 

Der Teppich ist nicht mangelhaft i.S.d. § 434 BGB.

 

Eine Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB liegt nicht vor.

 

Die Beschaffenheit ist vereinbart, wenn der Inhalt des Kaufvertrages die Pflicht des Verkäufers bestimmt, die gekaufte Sache in dem Zustand zu übereignen und zu übergeben, wie ihre Beschaffenheit im Vertrag festgelegt ist. Es müsste sich um eine verbindliche Beschreibung des Zustandes der Sache handeln (vgl. Palandt/Weidenkaff, § 434 Rn. 15 f.). Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass die Parteien hinsichtlich der konkreten Maße des Teppichs eine Beschaffenheitsvereinbarung i.d.S. Getroffen haben.

 

Der Zeuge des Klägers hat bekundet, dass die Klägerin darauf bestanden habe, dass der Teppich die Maße 2,5m x 4,5m habe; anders hätte sie den Vertrag nicht geschlossen. Demgegenüber hat der Zeuge der Beklagten geschildert, dass er in dem Verkaufsgespräch ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass bei Sonderanfertigungen Maßabweichungen möglich seien. Die Klägerin habe nicht darauf bestanden, dass der Teppich unbedingt diese genauen Maße haben müsse.

Können bei Sonderanfertigungen Maßabweichungen auftretem?

Das Gericht hat keinerlei Anlass den Ausführungen des Zeugen der Klägerin größeren Glauben zu schenken, als den Zeugen der Beklagten. Der Zeuge der Beklagten hat glaubhaft dargelegt, dass es bei Sonderanfertigungen möglich sei, dass Maßabweichungen auftreten. Dies erscheint dem Gericht bereits unter dem Gesichtspunkt der Lebenserfahrung nahe liegend und wahrscheinlich. Es dürfte schwierig sein, bei einem handgeknüpften Teppich ein genaues Maß einzuhalten sowie in einer völlig geraden Linie abzuschließen. Es ist zudem plausibel, dass die Verkäufer der Beklagten verpflichtet sind, die Kunden im Rahmen von Sonderanfertigungen auf Maßabweichungen hinzuweisen.

 

Der Zeuge der Beklagten hat glaubhaft dargelegt, diesen Hinweis erteilt zu haben. Selbst wenn man zugleich die Ausführungen des Zeugen der Klägerin als glaubhaft erachten wollte – woran das Gericht aufgrund des persönlichen Eindrucks in der mündlichen Verhandlung durchaus zweifelt -, stünden dessen Angaben die ebenfalls glaubhaftem Schilderungen des Zeugen der Beklagten gegenüber. In diesem Fall läge die Situation eines non-liquet vor und die Klägerin wäre beweisfällig geblieben.

 

Mangels Beweis einer getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung hinsichtlich der Einhaltung der konkreten Maße liegt kein Mangel nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB vor.

 

Da der Teppich genutzt werden kann und insbesondere auch in dem für seine Nutzung bestimmten Wohnzimmer ausgelegt werden kann, liegt kein Mangel nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB vor. Er ist in vollem Umfang zu der nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung geeignet.

 

Es liegt zudem kein Mangel nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB vor. Der Teppich eignet sich für die gewöhnliche Verwendung und weist insbesondere eine Beschaffenheit auf, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die erwartet werden darf. Die festgestellte Maßabweichung befindet sich in einem zu tolerierenden Bereich, da die Abweichung an der größten Stelle maximal 2,8% beträgt. Dies entspricht bei einem handgefertigtem Teppich noch einer Beschaffenheit, die üblich und zu erwarten ist.

 

Insbesondere kann sich die Klägerin darauf nicht berufen, da die gemäß §§ 305 ff. BGB wirksam einbezogenen AGB gemäß § 3 Ziff.6 einen Änderungsvorbehalt enthalten. Danach gelten handelsübliche und zumutbare Abweichungen ebenfalls als vertragsgemäße Leistung. Die Klausel ist wirksam, verstößt insbesondere nicht gegen § 308 Nr. 4 BGB. Die Wirksamkeit der Klausel steht nicht entgegen, dass der Kunde im Einzelfall ein besonders Interesse an einer ganz bestimmten Ausgestaltung der Ware haben kann. Dann muss er sich darauf verweisen lassen, seinen Wunsch dem Händler offenzulegen und sich – sofern dieser dazu bereit ist – eine entsprechende Zusicherung geben zu lassen. Dann hätte die Individualabrede Vorrang vor den AGB, § 305 b BGB. Nach der Beweisaufnahme liegt eine solche aber gerade nicht vor (s.o.).

Das zulässige Maß der Abweichung

Die Wirksamkeit der Klausel beurteilt sich unter diesen Umständen danach, ob die Vereinbarung der in ihr genannten Abweichungen der gelieferten von der geschuldeten Ware für den Kunden zumutbar ist. Bei einem Gattungskauf kann er ohnehin solche Abweichungen nicht beanstanden, die im Rahmen einer Leistung von mittlerer Art und Güte bleiben (vgl. § 243 BGB); aus einer unerheblichen Minderung ihres Wertes und ihrer Tauglichkeit kann er Sachmängelansprüche nicht herleiten. Auch wenn die Voraussetzungen eines Kaufs nach Muster vorliegen, muss der Kunde nach dem Grundsatz von Treu und Glauben unerhebliche und bedeutungslose Änderungen der versprochenen Leistung hinnehmen, dies insbesondere dann, wenn nach der Natur der Ware eine völlige Übereinstimmung nicht möglich ist. Die Grenze eines wirksamen formularmäßigen Änderungsvorbehalts ist allerdings jedenfalls dort erreicht, wo durch die Abweichung des Äquivalenzverhältnis der beiderseitigen Leistungen zum Nachteil des Kunden nicht nur ganz unerheblich gestört wird.

 

Das zulässige Maß der Abweichung wird vorliegend von der Klausel mit dem Begriff der Handelsüblichkeit und der Zumutbarkeit für den Kunden in einer dem Kunden zumutbaren Weise begrenzt (vgl. BGH, Urteil vom 11.03.1987 – VIII ZR 203/86). Insbesondere hat die Beklagte bei handgefertigten Teppichen ein erhebliches Interesse an einem solchen Änderungsvorbehalt, da insoweit Maßabweichungen üblich sind und mit ihnen gerechnet werden muss. Demnach ist die Abweichung unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen zumutbar und damit die Klausel wirksam.

 

An der Mangelfreiheit ändert der gerügte Geruch des Teppichs nichts. Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass es sich bei dem Geruch um einen solchen handelt, der über die normale und zu erwartende Geruchsemmission von neuen Teppichen hinaus geht. Der Zeuge der Beklagten hat glaubhaft dargelegt, dass es sich bei den festgestellten Gerüchen um normale Ausdünstungen handelt. Er hat bekundet, dass es erforderlich sei, dass der Teppich sehr viel länger ausgerollt liegt. Erst dadurch verliere er seine Ausdünstungen. Dies ist schlüssig und nachvollziehbar.

 

Insbesondere hat der Zeuge der Klägerin bestätigt, dass der Teppich lediglich einmal ausgerollt worden und danach ständig eingerollt gewesen sei. In einem solchen Fall ist es für das Gericht durchaus nachvollziehbar, dass vorhandene Gerüche nicht verfliegen können, sondern dass dafür vielmehr erforderlich ist, dass der Teppich über einen längeren Zeitraum ausgerollt liegt.

 

Da demnach bereits kein Mangel vorliegt, kann die Klägerin keine Rechte des § 437 BGB gelten machen.

 

Da die Beklagte nicht zur Rücknahme des Teppichs verpflichtet ist (s.o.), befindet sie sich mit dieser nicht im Annahmeverzug gem. §§ 293 ff. BGB.

 

Mangels Hauptanspruch stehen der Klägerin die geltend gemachten Nebenansprüche nicht zu.

 

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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