Aktenzeichen 2 U 620/94 OLG Koblenz vom 22. September 1995

 

Die Berufung der beklagten gegen das am 08.03.1994 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Mainz wird zurückgewiesen.

 

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand:

 

Der klagende Verbraucherschutzverein nimmt die Beklagte gem. § 13 AGB – Gesetz (AGBG auf Unterlassung der Verwendung der Klausel:

 

„Ware in einwandfreien Zustand erhalten: Unterschrift des Kunden“

 

in Anspruch.

 

Die Klausel verwendet die Beklagte im Rahmen ihres Geschäftsbetriebes auf der Vorderseite von mit „Möbel-Auftrag“ überschriebenen Auftragsformularen über neu hergestellte Einrichtungsgegenstände. Auf der Rückseite sind „Allgemeine Geschäftsbedingungen abgedruckt, die die Vertragsparteien als Verkäufer und Käufer bezeichnen.

 

Das Landgericht hat der klage stattgegeben. Es hat der Beklagten untersagt, die vorstehende Klausel in Bezug auf Kaufverträge über neu hergestellte Einrichtungsgegenstände in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden oder sich auf diese Klausel zu berufen, ausgenommen gegenüber einem Kaufmann im Rahmen des Handelsgewerbes.

 

Es hat entschieden, die Klausel sei gem. § 11 Nr. 15 b AGBG unwirksam. Die Beklagte lasse sich als Verwenderin Tatsachen bestätigen, was bei der bloßen Entgegennahme verpackter Ware zur Beweislastumkehr zu Lasten des Kunden führe. Aber auch im Fall der Entgegennahme ausgepackter Ware, in dem der Kunde die Beweislast (ohnehin) trage, führe die Tatsachenbestätigung zu einer erheblichen Erschwerung der Beweisführung des Kunden, was nach Sinn und Zweck des § 11 Nr. 15 b Satz 1 AGBG verhindert werden solle. Bei der vorformulierten Erklärung handele es sich nicht um ein „gesondert unterschriebenes Empfangsbekenntnis“ im Sinn des § 11 Nr. 15 b Satz 2 AGBG. Zwar sei dazu keine besondere Urkunde erforderlich, jedoch dürfe sich die Unterschrift auf dem Formular nur auf das Empfangsbekenntnis beziehen. Hier werde jedoch außer dem bloßen Empfang der Ware auch noch die Mangelfreiheit der empfangenen Ware bestätigt, was über § 11 Nr. 15 b Satz 2 AGBG hinausgehe.

 

Die beklagte macht mit der Berufung im wesentlichen geltend, die Klausel verstoße nicht gegen § 11 Nr. 15 b Satz 1 AGBG, weil es sich um ein gesondert unterschriebenes Empfangsbekenntnis im Sinn des § 11 Nr. 15 b Satz 2 AGBG handle. Zumindest sei die beanstandete Regelung einem Empfangsbekenntnis im Sinne dieser Vorschrift gleichzustellen. Unter diese Vorschrift fielen auch gesondert zu unterzeichnete Empfangsbekenntnisse, in denen neben der Tatsache des Empfangs der Leistung auch deren Mangelfreiheit bestätigt werde. Das gelte z.B. für Abnahmebestätigungen, wie sie beim Werkvertrag, insbesondere bei Abnahme von Bauleistungen, benutzt würden.

 

Die Beklagte beantragt, das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

 

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

 

Er hält der Berufung entgegen, dass die Klausel vornehmlich Kauf- und nicht Werkverträge betreffe.

 

Entscheidungsgründe

 

Die zulässige Berufung der beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

 

Das Landgericht hat zutreffend entschieden.

 

Die Berufungsangriffe bleiben ohne Erfolg.

 

Die beanstandete Klausel ist gem. § 11 Nr. 15 b AGBG unwirksam.

Das Landgericht hat die Klausel zutreffend als allgemeine Geschäftsbedingung im Sinn des § 1 Abs. 1 AGBG gewertet. Nach dieser Vorschrift sind AGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die der Verwender anderen Parteien bei Abschluss eines Vertrages stellt, also sämtliche einseitig für eine mehrfache Verwendung vorgefertigten Erklärungen, die auf die Regelung des Inhaltes des Vertrages abzielen (vgl. BGH NJW 1986, 2574, 2575). Dass die Klausel, mit der der Erhalt mangelfreier Ware bestätigt wird, diese Merkmale erfüllt, kann keinem Zweifel unterliegen.

 

Die Beklagte lässt sich als Verwender mit der Klausel bestimmte Tatsachen bestätigen (§ 11 Nr. 15 b AGBG). Die Tatsachenbestätigung, die Ware in einwandfreiem Zustand erhalten zu haben, führt dazu, dass ein späteres gegenteiliges Vorbringen des Kunden erschwert oder unmöglich wird. Schon die Erschwerung bedeutet eine Änderung der Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteiles im Sinn des § 11 Nr. 15 AGBG und unterliegt deshalb dessen Verbot.

 

Abgesehen von der gar zur Beweislastumkehr führenden Bestätigung bei bloßer Entgegennahme von verpackter Ware, die nicht als Annahme im Sinne des § 363 BGB angesehen werden kann (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 54. Auflage, § 363 Rn. 2), unterfällt demnach die Bestätigung auch für den Fall dem verbot des § 11 Nr. 15 AGBG, dass der Kunde (ohnehin) beweisbelastet ist. Die Klausel kann dann nämlich zur Folge haben, dass der Richter die Anforderungen an den Beweis zum Nachteil des beweisbelasteten Kunden erhöht. Hier wird seine Entscheidung zum Nachteil des Kunden unter andere Beweislastforderungen gestellt, als das Gesetz oder die anerkannten Grundsätze dies vorsehen (vgl. BGHZ 99, 374, 380).

 

Mit der Klausel wird dem Kunden nicht lediglich ein gesondert unterschriebenes Empfangsbekenntnis im sinne des § 11 Nr. 15 b Satz 2 AGBG abverlangt. Satz 2 dieser Vorschrift sieht ausnahmsweise diejenige beweislaständernde Tatsachenbestätigung im Sinn des § 11 Nr. 15 b AGBG als wirksam an, die in einem vom Kunden abgegebenen Bekenntnis über den Empfang der geschuldeten Leistung liegt. Das Empfangsbekenntnis deckt sich mit der Legaldefinition der Quittung in § v368 BGB, betrifft also nicht nur die Quittung von Geldzahlungen, sondern auch andere Liefer- und Leistungsbestätigungen oder die Bestätigung, eine Vertragsabschrift erhalten zu haben (vgl.Wolf/Horn/Lindacher, Agb – Gesetz, 3. Auflage, § 11 Nr. 15 Rn. 26).

 

Die Klausel sieht indes nicht lediglich die Quittierung des Erhaltes der Ware durch den Kunden vor, sondern darüber hinaus die Bestätigung, die Ware in einwandfreiem Zustand erhalten zu haben. Diese vorformulierte Erklärung ist aber in Folge des Zusatzes, mit der auch die Mangelfreiheit der Ware bestätigt wird, keine bloße Quittung gem. § 368 BGB und damit auch kein gesondert unterschriebenes Empfangsbekenntnis gem. § 11 Nr. 15 b Satz 2 AGBG (vgl. auch OLG Celle, WM 1994, 885, 889; Frankfurt NJW_rr 1986, 1055; Ulmer/Brandner/Hensen, AGB – Gesetz, 7.Auflage, § 11 Nr. 15, Rn. 21; Löwe/Graf von Westfalen/Trinkner, AGB-Gestz, 2. Auflage, § 11 Nr. 15, Rn. 31, 34).

 

Der unter Berufung auf Wolf (a.a.O. Rn. 26) vorgebrachten Auffassung der Berufungsklägerin, unter § 11 Nr. 15 b Satz 2 AGBG fielen auch gesondert zu unterzeichnende Empfangsbekenntnisse, in denen neben der Tatsache des Empfangs der Leistung auch deren Mangelfreiheit bestätigt werde, kann nicht gefolgt werden.

 

 

Wolf führt (a.a.O.) aus:

 

„Abnahmebestätigungen, wie sie beim Werkvertrag, insbesondere bei Abnahme von Bauleistungen, benutzt werden, gehen über das bloße Empfangsbekenntnis hinaus, da sie eben der Empfangsbestätigung auch die Erklärung enthalten, dass das Werk als der Hauptsache nach vertragsgemäß anerkannt wird (BGHZ 48, 257, 262; Palandt/Thomas § 640 Rn. 2). Trotz ihrer beweislaständernden Funktion ist aber die Abnahmebestätigung dem Empfangsbekenntnis des § 11 Nr. 15 gleichzustellen, da hierfür in gleicher Weise ein Bedürfnis besteht.

 

Der Besteller ist nach § 640 ABS. 1 BGB zur Abnahme des Werkes verpflichtet. Die Verwendung vorgedruckter Abnahmebestätigungen benachteiligt den anderen Vertragsteil auch nicht, da er wegen der Notwendigkeit der gesonderten Unterschrift auf ihre Bedeutung besonders hingewiesen wird und damit der Verheimlichungseffekt entfällt“.

 

Diese Ausführungen zu Abnahmebestätigung betreffen allein den Werkvertrag. Hier geht es aber – zumindest vornehmlich – um den Kauf neu hergestellter Einrichtungsgegenständen. Beim Kauf betrifft die Abnahmeverpflichtung aber ohnehin lediglich den tatsächlichen Vorgang, durch den der Verkäufer vom Besitz der Sache befreit wird (vgl..Palandt/Putzo, a.a.O., § 433 Rn. 35).

 

Im übrigen hielte der Senat es auch für verfehlt, beim Werkvertrag benutzte Abnahmebestätigungen grundsätzlich dem Empfangsbekenntnis des § 11 Nr. 15 AGBG gleichzustellen. Ausnahmen vom Grundsatz der Unwirksamkeit vorformulierter Tatsachenbestätigungen sind vom Gesetzgeber ausdrücklich auf gesondert unterschriebene Empfangsbekenntnisse, nach der Legaldefinition demnach Quittungen gem. § 368 BGB, beschränkt worden. Für eine Erweiterung der Ausnahme ist kein Raum. Die Begründung, die Abnahmebestätigung sei dem Empfangsbekenntnis gleichzustellen, da hierfür in gleicher Weise ein Bedürfnis bestehe, überzeugt auch nicht. Da im Gesetz keine schriftliche Abnahmebestätigung vorgeschrieben ist und der Kunde mit der schriftlichen Erklärung, das Werk sei in einem einwandfreien Zustand, unzweifelhaft im Sinne des § 11 Nr. 15 AGBG die Beweislast zu seinem Nachteil ändert, kann mit „Bedürfnis“ letztlich nur das – einseitige – Interesse des Klauselverwenders gemeint sein.

 

Jedenfalls beim Abschluss von Werkverträgen mit Nichtkaufleuten sind keine Gründe ersichtlich, die eine Ausweitung der Ausnahmevorschrift rechtfertigen. Der Werkvertragskunde ist vielmehr gleichermaßen schutzbedürftig wie der Kaufvertragskunde. Im Ergebnis benachteiligt den Kunden eine – unzutreffende – Bestätigung der Mangelfreiheit des Kaufgegenstandes ebenso wie eine – letztlich unzutreffende – Formularbestätigung der Mangelfreiheit der Werkleistung (vgl. auch Graf von Westfalen, a.a.O., §11 Nr. 15 Rn. 31,wo auf die Beweislasterschwerung hingewiesen wird, die Sache gem. § 363 BGB und auch gem. § 640 BGB noch nicht als Erfüllung angenommen zu haben). Allein dann, wenn auch auf den Werkvertrag die Ausnahmevorschrift des § 11 Nr. 15 b Satz 2 AGBG strikt angewandt wird, drohen dem Kunden auch keine Nachteile als Folge von nicht selten auftretenden Unklarheiten (Grenzfälle) darüber, ob lediglich ein Kaufgegenstand entgegengenommen wurde oder aber eine Werkvertragsleistung.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

 

Der Streitwert für das Berufungsverfahren und die Beschwer der Beklagten beträgt 6.000 DM (§§ 3 ZPO, 22 AGBG).

 

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