Ein Stuhl ist zusammengebrochen

Wird die Verkehssicherungspflicht verletzt drohen Schadenersatz und Schmerzensgeld

Aktenzeichen OLG Koblenz 2 U 1029/98 vom 15.07.1999

 

Für Recht erkannt:

 

I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 14.05.1998 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts aufgehoben.

 

II. Das Schadensersatz- und Schmerzensgeldbegehren des Klägers ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

 

III. Die Sache wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Trier zurückverwiesen.

 

IV. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil des Landgerichts vorbehalten.

 

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

 

Ein Gastwirt muss stabiles Mobiliar zur Verfügung stellen

  

Entscheidungsgründe:

 

Die zulässige Berufung des Klägers hat einen vorläufigen Erfolg.

 

Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückweisung der Sache zur weiteren Verhandlung über den Betrag an das Landgericht gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.

  

I.

  

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind gegeben.

 

1. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Schadensersatz- und Schmerzensgeld ist nach Grund und Betrag streitig.

 

2. Die Forderung auf Schadensersatz und Schmerzensgeld ist dem Grunde nach gerechtfertigt, wobei der Senat zur Sachverhaltsdarstellung auf das Urteil des Landgerichts Bezug nimmt (§ 543 ZPO).

 

3. Einen Anspruch aus positiver Vertragsverletzung des Gaststättenvertrages kann der Geschädigte grundsätzlich nur dann geltend machen, wenn er nachweisen kann, dass der Schuldner sich pflichtwidrig verhalten und den Schaden schuldhaft herbeigeführt hat.

 

a) Der Gastwirt ist verpflichtet, von seinen Gästen Gefahren abzuwenden, die ihnen beim Besuch der Gaststätte durch den Zustand der Zugänge, der Räumlichkeiten und des Mobiliars drohen. Diese Schutzpflichten ergeben sich aus der Eröffnung des Verkehrs in die Gastwirtschaft und der dadurch bedingten Zuständigkeit zur Abwehr von Gefahren für den Körper und die Gesundheit der Besucher. Ihre besondere Ausprägung erfährt diese Verkehrssicherungspflicht durch die typischen Gefährdungen, die der betrieb einer Gastwirtschaft mit sich bringt (BGH VersR 1991, 357, 358).

 

Ein Gastwirt muss deshalb seinen Gästen ausreichend stabiles Mobiliar zur Verfügung stellen. Hat er dies nicht getan, sondern seinem Gast einen Stuhl angeboten, der – wie hier – ohne missbräuchliche Benutzung unter diesem zusammenbricht, hat er allein dadurch die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt.

 

b) Liegt damit ein objektiver Pflichtverstoß vor und hat der gläubiger – wie hier – dargetan, dass die Schadensursache allein aus dem Verantwortungsbereich des Schuldners herrühren kann, ist der Schluss gerechtfertigt, dass der Schaden auf den Pflichtenverstoß kausal zurückzuführen ist (Palandt, BGB, 58 Aufl., § 282, Rn. 13 m.w.N.).

 

c) Den Nachweis, dass der Schuldner schuldhaft gehandelt hat, wird der Geschädigte in dieser Situation in der Regel nicht führen können. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat deshalb teils unter Hinweis auf § 282 BGB, teils ohne Bezugnahme auf dies Vorschrift die Rechtsprechung des Reichsgerichts zu einer Beweisverteilung nach Gefahren- und Verantwortungsbereichen weiterentwickelt. Danach gilt folgender Grundsatz: Fällt dem Schuldner objektiv eine Pflichtverletzung zur Last oder ist die Schadensursache in sonstiger Weise aus seinem Verantwortungsbereich hervorgegangen, so muss er beweisen, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (Palandt a.a.O. § 282 Rn. 8).

 

d) Diesen Beweis hat der Beklagte nicht geführt, obgleich an den Entlastungsbeweis keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind. Es genügt, wenn der Schuldner eine Ursache nachweist und dartut, dass er diese nicht zu vertreten hat. Es genügt auch, dass er bei Unaufklärbarkeit der Ursache nachweist, dass er alle ihm obliegende Sorgfalt beachtet hat (Palandt a.a.O. § 282 Rn. 5, 16.

 

Dem Beklagten kann zunächst ein Vorwurf im Zusammenhang mit der Anschaffung der Eichenstühle nicht gemacht werden. Zum einen hat er diese im Fachgeschäft gekauft. Zum anderen hat der Sachverständige ausgeführt, dass diese Art von Stühlen grundsätzlich für den Gastronomiebetrieb geeignet ist und der Stuhl ohne Vorschäden noch weitere 15 Jahre ausgehalten hätte. Ist dies der Fall, kann dem Beklagten auch nicht entgegengehalten werden, dass Stühle aus Buchenholz generell bruchsicherer sind als solche aus dem kurzfaserigen Eichnholz.

 

Jedoch hat der Sachverständige. Dem lediglich der Stuhl ohne die abgebrochenen Beine zur Untersuchung zur Verfügung stand, Vorschäden bei dem stark beanspruchten Gastronomiestuhl nicht ausschliessen können.

 

Der Nachweis, dass er alle Sorgfalt beachtet hat, ist dem Beklagten bei dieser unaufgeklärten Ursache des Schadeneintritts nicht gelungen.

Die regelmäßige Kontrolle

Der Beklagte hätte das Mobiliar einer regelmäßigen Kontrolle unterziehen müssen, die Stühle, die fünfzehn Jahre alt sind, eher in kürzeren Intervallen. Gerade in Gaststätten, in denen zum Teil auch größere Mengen an Alkohol getrunken wird, muss damit gerechnet werden, dass alkoholisierte Gäste mit dem Mobiliar nicht gerade zimperlich umgehen und daran Schäden anrichten. So hat auch die Beweisaufnahme vor dem Landgericht ergeben, dass vor dem hier streitigen Unfall ein Betrunkener mit einem Stuhl umgekippt ist.

 

Der Beklagte hat nicht substantiiert dargelegt, dass er in regelmäßigen Abständen (welchen?) die Stühle auf Schäden hin untersucht hat. Die Vorlage eines Beleges des Schreinermeisters vom 16.12.1997 reicht nicht aus, da darin lediglich bestätigt wird, dass seit 1985 von dem Beklagten in Auftrag gegebene Schreiner- und Reparaturarbeiten durchgeführt worden seien. Welche dies im Einzelnen waren und in welchen Abständen dies geschehen ist, wird nicht angegeben. Auch ergibt sich daraus nicht dass gerade die Stühle regelmäßig auf Schäden hin überprüft wurden.

  

Der Senat ist mithin davon überzeugt, dass der Beklagte seiner regelmäßigen Kontrollpflicht nicht nachgekommen ist.

 

4. Der Kläger kann aber auch Schadensersatz und Schmerzensgeld aus unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 1, § 847 Abs. 1 BGB) geltend machen. Im Bereich der unerlaubten Handlung kann zunächst auf die Ausführung zur Verkehrssicherungspflicht verwiesen werden. Anders als bei der vertraglichen Haftung gilt hier nicht die Beweiserleichterung des § 282 BGB. Allerdings ist hier zu berücksichtigen, dass dem Schuldner die Beweisführung letztlich deshalb nicht mehr möglich ist, weil der Beklagte bzw. dessen Personal die abgesprochenen Stuhlbeine entsorgt hat. In diesem Fall kann bei Annahme einer auch nur fahrlässigen Beweisvereitelung der beklagte diesen Umstand bei der Beweiswürdigung gegen sich gelten lassen müssen (BGH VersR 1968,58,59).

 

Davon geht der Senat aus. Der Beklagte hätte erkennen müssen, dass bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung der Parteien die Beschaffenheit der Stuhlbeine eine Rolle spielen würde. Er hätte deshalb dafür sorgen müssen, dass diese nicht verloren gingen, zumal der Kläger dem Kellner gesagt hat, er werde die Sache nur dann auf sich beruhen lassen, falls keine Folgen verblieben. Das der Unfall nicht folgenlos geblieben ist, hat der Kläger dem Beklagten ca. einen Monat später mit Schreiben vom 08.02.1996 mitgeteilt. Damit kann die durch die schuldhafte Unterlassung des Beklagten etwa verursachte Unaufklärbarkeit nicht dem Kläger zum Nachteil gereichen, sondern sie muss sich zu Ungunsten des Beklagten auswirken (BGHZ 6, 224, 227; Stein/Jonas ZPO 21. Aufl. § 286 Rn. 121).

 

5. Der Senat kann Umstände nicht feststellen, die ein Mitverschulden begründen könnten. Der Kläger konnte auch bei seinem etwas höheren Körpergewicht darauf vertrauen, dass der Stuhl, auf dem er ca. 40 Minuten gesessen hat, auch beim Zurücklehnen nicht zusammenbrechen werde. Dies gilt um so mehr, als er in diesem Zeitraum von dem Gastwirt oder dessen Personal, die eine bessere Kenntnis über die Stabilität der Stühle besitzen, auf etwaige Bedenken nicht aufmerksam gemacht wurde.

 

6. Die Sache bedarf im Übrigen noch weiterer Verhandlungen über den die Forderungshöhe betreffenden Streitstoff. Die Parteien haben hierzu gegensätzlich jeweils mit Beweisangeboten vorgetragen.

 
Die auf § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gestützte Zurückweisung ist auch im Sinne des § 540 ZPO sachdienlich. Es ist eine umfangreiche Beweisaufnahme durchzuführen. Im Falle des Absehens von einer Zurückweisung würde den Parteien hinsichtlich nahezu der gesamten Sachentscheidung – weil von vornherein die Forderungshöhe ein Streitschwerpunkt war – eine Tatsacheninstanz verloren gehen.

 

III.

 

Die Kostenentscheidung war – auch bezüglich der außergerichtlichen Kosten – dem erstinstanzlichen Schlussurteil vorzubehalten.

 

Der Streitwert des Berufungsverfahrens und die Beschwerde des Klägers und der Beklagten durch dieses Urteil beträgt 12.434,30 DM.

 

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